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Goldene Kugel: Kunst statt Eisen

"The war is over - we won". Dieses Marlene Dietrich-Zitat ziert das Schaufenster des ehemaligen Geschäftslokals "Goldene Kugel" in der Neulerchenfelderstraße 78. Als Eyecatcher dienen Daniel Weinbergers mit Plastikkröten, jüdischen Schriftzeichen und Augenpaaren verunstaltete Hochzeitskleider. Verblichene Lettern beschwören noch "Wiens führende Eisenhandlung", für Soho-Ottakring gewann die Kunst den Krieg gegen das Eisen. 700 Quadratmeter Lokal werden zur Galerie, zur flüchtigen Heimat inszenierter künstlerischer Heimaten in sehr unterschiedlichen Räumen. Rot-weiß-rot bemalte Dagmar Höss die gelöcherten Pressspanplatten in ihrem Eck. Sarkastisch spitz wird hier "Tragbare Heimat" angeboten. In altdeutscher Vitrine präsentiert sich ein Tanga: "Land der Berge, Land am Strome" steht darauf. Unter einer Glasdecke schwebt Cristina Fiorenzas bedrohlich riesige Kunststoffskulptur einer nackten Frau, umringt von Agniesszka Beniewskas sacht schaukelnden Schwarzweißfotos. "Im Traum" heißt dieser fragile Raum im Raum aus stillen, persönlichen Interieurs voll Sehnsucht nach häuslichem Frieden. Ein Heiliger, Foto, Kerzen, Uhr, Hausschuhe, eine Lesende: Die Übermutter wacht darüber. Unentrinnbar und real zwingt Sula Zimmerberger die Mama ins Bewusstsein. "Sweet home" heißt ihr rotes Prototyp-Häuschen mit Pultdach, eines der Haus-Maus-aus-Siedlung. Innen zieht eine vorwurfsvolle Stimme alle Register: Von "Ich tu ja eh alles nur für dich" bis "Du bringst mich noch ins Grab" Meditative Befindlichkeit erzeugt Gerda Aigners Videoinstallation im Zwischenraum. "Zwischenbilder" nennt sie ihre Überblendungen eines endlos scheinenden Menschenstromes auf der Rolltreppe, dem ein schaukelnder, sanfter Rhythmus die Hast nahm. Man kann sich verlieren in diesen Gesichtern, Körpern, im unendlichen Fluss des Lebens. Mit vier computergenerierten Portraits erzielt Gabriela Klocker einen ähnlichen Effekt: Sie hat Fotos von Personen aus dem Brunnenviertel so oft gefiltert und überlagert, dass aus der Nähe nur noch Farbschatten zu sehen sind. Erst mit der Distanz werden Köpfe, Hälse und Haare spürbar. Man kann sich verlieren auf 700 Quadratmetern. Die Kunst hat bis 8. Juni den Krieg gewonnen. So flüchtig, wie Daheimsein eben ist. Zur Goldenen Kugel, Neulerchenfelderstraße 78, A-1160 Wien
Mehr Texte von Isabella Marboe

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Goldene Kugel
25.05 - 08.06.2002

Soho in Ottakring 2007
1160 Wien, Brunnengasse 68/9
Tel: +43-1-406 41 54-70
Email: contact@sohoinottakring.at
http://www.sohoinottakring.at


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