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Bertram Hasenauer - Sulur. Bilder und Zeichnungen: Blick der Zeit

La vérité a un visage d'homme. [Albert Camus] In der griechischen Mythologie formte der Schöpfergott Prometheus androgyne Menschen aus Lehm und die helläugige Schutzgöttin Athene hauchte ihnen Weisheit und Wissen ein. Bertram Hasenauers 'Portraits' wirken wie aus der Antike in ein Heute entlehnte Figuren, der Zeit gewissermaßen entrückt und alterslos. Sie spielen auf etwas an, was nicht (mehr) sichtbar ist. Auf ihrer Haut schimmert ewige Adoleszenz, ihre Gesichter zeichnen keine Spuren, sie entfalten sie sich vor neutralem Hintergrund gleichsam aus der Zeit geschält. Kein Erinnerungsraum liegt hinter ihnen, ihr Blick richtet sich auf kein bestimmtes Ziel. Die räumliche wie zeitliche Ambivalenz der Bilder zeigt sich besonders in den Augen der Porträtierten, die wie geschichtslos Anfang und Ende zugleich verkörpern. Ob ihr Blick sich nach vorne richtet, zum Betrachter hin, oder von diesem weg nach hinten, er scheint ins Leere zu gehen. Die Wirklichkeit oszilliert zwischen Vergangenheit und Zukunft. In (selbst)reflexiver Haltung verharren die Figuren in sich gekehrt, offenen Blicks und zugleich verschlossen. Rätselhaftigkeit umspielt ihr Gesicht, verstärkt durch Bildtitel bzw. Kommentare. Still hanging on to what may be. Gegenwart als Zwischenraum, eine Dunkelkammer, in der Wahrheit aufblitzt um langsam auszubleichen. "Die Welt ist so konstituiert, dass Dinge erscheinen und verschwinden. […] der Gegensatz zur Erscheinung bildet nicht die Wirklichkeit, sondern das Verschwinden", schrieb John Dewey 1927 in einem Aufsatz (Erscheinen und Erscheinung). Im Festhalten des Augenblicks ist bereits dessen Verschwinden enthalten. You somehow slip away. Der Ausdruck meditativer Gleichmütigkeit in den Gesichtern erzeugt Distanz, die sich jeder Vereinnahmung entzieht. Der Mensch ist "ein Wesen der Ferne" (Heidegger, Vom Wesen des Grundes). Wer sind die dargestellten Personen auf den Bildern? Worauf beziehen sich? Ihre puristischen Gesichtszüge lassen an Ursprünglichkeit, Idealbilder denken. Was aber ist die Idee eines Porträts? Das griechische Wort idéa bedeutet 'Erscheinung' und leitet sich von ideiñ = sehen, erkennen ab. Für Platon sind die Ideen Urbilder der konkreten Erscheinungen. Sie verändern sich nicht, sind unvergänglich und sich selbst identisch. Bertram Hasenauer misstraut einer starren Begrifflichkeit sowie dem Versuch, Zeit oder in ihr auftretende Erscheinungen auf Leinwand zu bannen. All instant things are fading. Weder ist ihm an der Abbildung von Wirklichkeit, noch an einer Formnahme reiner Ideen (Abstraktion) gelegen. Kunst hat ihre eigene Wirklichkeit und ist sich selbst Wirklichkeit, sie hat ihre eigene Wirkung, ihre Rätselhaftigkeit. Wenn man versucht ist, ihr Rätsel zu lösen, löst sie sich auf. "Der Blick, den die Augen manifestieren, von welcher Art sie auch sein mögen, ist reiner Verweis auf mich selbst" (Sartre in Das Sein und das Nichts). Hasenauers Figuren blicken uns an und entziehen sich unserem Blick. Wir durchschauen sie nicht. Inhaltsreicher als die empirische Wirklichkeit speichern und reflektieren die Bilder die Vorstellungen des Betrachters und werfen den Betrachter gleichzeitig wieder auf seine Vorstellungen zurück. Es ist ein Spiel der Illusionen. Inside you are pretending. Die Vorstellung ist immer nur Spiegel einer der möglichen Formen meines Bewusstseins von einer Sache. Ich bin getäuscht und täusche mich selbst. Duellhafter Augenblick der Vergegenwärtigung.
Mehr Texte von Elvira Gross

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Bertram Hasenauer - Sulur. Bilder und Zeichnungen
15.05 - 18.07.2010

Museum der Moderne Salzburg Rupertinum
5010 Salzburg, Wiener Philharmonikergasse 9
Tel: +43 662 84 22 20.451, Fax: +43 662 84 22 20.750
Email: info@museumdermoderne.at
http://www.museumdermoderne.at/
Öffnungszeiten: Di-So 10-18, Mi 10-20h


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