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Michelangelo Pistoletto - Mirror Paintings: Im Spiegel die Zeitgeschichte

Michelangelo Pistoletto ist einer jener Künstler, die im Kunstbetrieb nicht wirklich laut mitmischen und dennoch immer wieder nachhaltig ihre Spuren hinterlassen. Das ist wohl eine Frage der Dosis. Bei der letzten Biennale von Venedig, 2009, etwa zog er mit einem einzigen Hammerschlag die Aufmerksamkeit auf sich: „Twenty-two less two“ hieß damals seine Installation in den „Corderie“, bestehend aus zwei mal elf prunkvoll gerahmten Spiegeln, die er alle bis auf einen in einem performativen Radikalakt zertrümmerte. Spiegel stehen nun auch im Zentrum seiner ersten Einzelausstellung in der Wiener Galerie Mezzanin (die zugleich auch nach 15 Jahren seine erste Ausstellung in Wien ist, nach der Personale im 20er Haus). Gerade einmal fünf an der Zahl sind es, und sie folgen alle ein- und demselben Prinzip, das man von Michelangelo Pistoletto schon lange kennt und das er gleichsam zu seinem Markenzeichen gemacht hat: Ein freigestelltes Fotosujet, meist eine Figurenszene, ist serigrafisch auf eine polierte Stahlplatte aufgebracht. Durch die Spiegelung des Bildgrunds wird der Betrachter vor dem Bild zugleich zu einem Teil desselben. Damit verwandelt Pistoletto bei allem Minimalismus der Formen die Installation zugleich in eine Bühne, so dass die Begegnung mit dem Kunstwerk selbst zum performativen Akt wird. Denn mit ihren zweieinhalb Metern Höhe kommen vier der Arbeiten wie Türen daher; die gleich im Entree montierte fünfte ist das einzige Querformat in der Ausstellung, direkt vis-à-vis vom Eingang montiert, tut sie sich wie ein Fenster in der Wand auf, das die Ausstellung seinerseits hin zu einem imaginären Außenraum öffnet. Zugleich schaffen diese Türen und Fenster im Schutz des White Cubes eine Durchlässigkeit für eine Realität – sie sie nun eine politische, gesellschaftliche oder kulturelle – , die außerhalb von diesem ist. Was für ein Geschehen sich jeweils ereignet ist da fast sekundär: Im Fall der aktuellen Wiener Inszenierung spielen die einzelnen Images auf Rebellion, Revolution und deren Niederschlagung an. Diese Lesart bieten jedenfalls die Bilder an: Eingeleitet von einem symbolhaften Totenschädel zeigen sie unter anderem die Friedensflagge oder einen Mann, der im Begriff ist, einen Stein in Richtung einer unsichtbaren Menge zu schleudern. Das Grande Finale bildet schließlich eine in ihrer Ikonographie beinahe religiös anmutende Szene im Kabinett der Galerie, in der eine junge Frau einen zu Boden sinkenden Mann stützt (darauf spielt auch der Titel an: „Deposizione“, das italienische Wort für „Kreuzabnahme“). Pistoletto selbst gibt mit dieser Bilderzählung einen Kommentar ab, der durchaus auch politisch gelesen werden will. Durch die Arbeit mit unterschiedlichen Realitäten, die der kalten Stahl voneinander abgrenzt, spielt er nicht zuletzt auf die Ohnmacht des Individuums vis-à-vis eines willkürlichen Umgangs mit der Macht an, wie er in seinem Land gegenwärtig an der Tagesordnung steht.
Mehr Texte von Johanna Hofleitner

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Michelangelo Pistoletto - Mirror Paintings
24.03 - 30.04.2010

Galerie mezzanin
1010 Wien, Getreidemarkt 14/Ecke Eschenbachgasse
Tel: +43 (0) 1 526 43 56, Fax: +43 (0) 1 526 91 87
Email: mezzanin@chello.at
http://www.mezzaningallery.com
Öffnungszeiten: geschlossen


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