Werbung
,

Luis Camnitzer: Künstlerhand anlegen, Wert steigern

Gestapelte DIN A4-Zettel mit jeweils einem mittig gesetzten Sinnspruch darauf, von den AusstellungsbesucherInnen selbst mit einem Stempeldruck zu versehen und dann je Exemplar für einen Schweizer Franken mitzunehmen: Die Arbeit „Selbstbedienung“ (1996) aktiviert zwar die BetrachterInnen, lässt sie aber über Assistenzarbeiten nicht hinaus gelangen. Denn mit dem Stempel prägt man die Unterschrift des Künstlers Luis Camnitzer auf die Blätter, auf denen Sätze stehen wie „Ästhetik verkauft, Ethik verschwendet“ oder „Die Seele der Kunst wohnt in der Unterschrift.“ Schöner ist die Entstehung des Status künstlerischer Arbeiten kaum offen zu legen. Der in Deutschland geborene, in Uruguay aufgewachsene und in den USA lebende Camnitzer hat als konzeptuell arbeitender Künstler in Lateinamerika Maßstäbe gesetzt. Er avancierte zudem zu einem der maßgeblichen Chronisten einer künstlerischen Strömung, deren Teil er selbst war und ist. In seinem Buch „Didactics of Liberation“ (2007) grenzt er die konzeptuelle Kunst in Lateinamerika scharf von ihren berühmteren Pendants in den USA und Großbritannien ab. Während sich diese vor allem um sich selbst und den Kunstbegriff gedreht hätten, sei in Lateinamerika alles von vornherein und überhaupt viel politischer gewesen. Nicht Marcel Duchamp, sondern der Aufklärer Simón Rodríguez und die Stadtguerilla Tupamaros hätten die konzeptuelle Kunst auf dem Subkontinent beflügelt. Die Ausstellung in der Züricher Daros Exhibitions, die Arbeiten Camnitzers von 1968 bis in die Gegenwart versammelt, präsentiert ihn allerdings selbst als – ebenso gewitzten wie poetischen – Meister der Kunstreflexion und Experten für Repräsentationsfragen. Wie der Abguss eines Dreizeilers präsentiert sich hinter Glas beispielsweise eine goldene Form, „vorgegeben durch die Verbindung der äußeren Punkte des Textes, der eine Form beschreibt“. Die Form ist, als was sie beschrieben wird. Und sie ist es doch wieder nicht, da es sich nicht um den Text, sondern um die Form handelt. Das überzeugt. Ein Formalist ist Camnitzer aber ganz gewiss nicht, denn erstens sind auch Repräsentationsfragen alles andere als politikfrei und zweitens gilt dies ebenfalls für die Hinterfragung der Kunst als materiellen Effekt autorisierter und legitimierter Akte. Ein roter Wollhandschuh hängt hinter Glas, daneben ein Brief Camnitzers an einige Künstler-Kolleginnen und -Kollegen, sie mögen den Handschuh doch bitte überstreifen und dann den finanziellen Wert, den sie für diesen Akt veranschlagen würden, in die Liste eintragen. Am Ende werde zusammengerechnet. Denn „wie bei allen Dingen auf dem Kunstmarkt wird auch der Wert des Handschuhs durch den Kontakt mit der Künstlerhand gesteigert.“ („Mehrwert“, 1979).
Mehr Texte von Jens Kastner

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Luis Camnitzer
11.03 - 04.07.2010

Daros Exhibitions
8005 Zürich, Limmatstrasse 268
Tel: +41-44-447 70 00
Email: zurich@daros-latinamerica.net
http://daros-latinamerica.net/
Öffnungszeiten: Do, 12 - 20 pm
Fr - So, 12 - 18 pm


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: