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Der Kunst ihre Dämlichkeit

Natürlich ist die „Installation“, die Christoph Büchel der Secession hat angedeihen lassen, ein Blödsinn. Und natürlich darf man das wieder nicht sagen, weil man dafür nur Beifall von den Reaktionären bekommt. Einmal mehr war es das rechtsradikale Lager, das sich echauffiert hat, gestattet ihm Büchels Auftritt doch zum wiederholten Mal die Wahrnehmung, in der sich ein antihumanes Weltbild wohlfühlt: den Künstler, der über die Stränge schlägt, mit dem Menschen, der verdorben ist, zu identifizieren. Derlei verquere Vorstellungen einer Einheit von Kunst und Leben pflegt das Spießertum immer dann, wenn ihm der Zirkelschluss vom einen auf das andere Empörung oder gleich Schuldzuweisung gestattet. Büchels Auftritt ist allein deswegen schon dämlich, weil er den FPÖs und SVPs solche Komplexitätsreduktionen mir nichts dir nichts ermöglicht. Und sage niemand, der Künstler könne dafür nichts. Es ist nichts einfacher als Entrüstung auf die Beine zu stellen und im Namen einer „Kunst“, bei deren Anrufung allein die Nennung des Begriffs genügt, die Öffentlichkeit zu mobilisieren. Ketten wir uns an eine Brücke, deklarieren das ganze als Performance, halten einen Tag lang die Westbahn und Tausende von Passagieren auf – schon haben wir die Aufregung. Ein Diskursbetrieb, der unvermeidlich auf den Plan tritt, wenn das Codewort „Kunst“ fällt, wird das Ganze dann schon mit Bedeutung garnieren. Weil wiederum nichts einfacher ist, als Schwachsinn mit Sinngebung aufzuladen, sollte man über Büchels Darbietung schlechterdings den Mantel des Schweigens breiten. Warum das hier dennoch nicht geschieht, so allein deshalb, weil es hilft, ein Missverständnis zu beseitigen. Das Missverständnis besteht darin, der Kunst die Kompetenz zuzugestehen, für Transgression zu sorgen, Niedagewesenes zu ermöglichen, Grenzen zu sprengen. Wie man sieht in der Secession, gibt es gesellschaftliche Sphären, die weitaus verwegener mit Tabus umgehen. Die bunte Promiskuität von Swinger-Clubs leistet sich Sexualität ohne Schaubild-Charakter und ikonografischen Überschuss. Genau damit hat die Kunst ein Problem, denn sie braucht stets die Erklärung, die Besonderheit, die Exemplarität, die das Vorgeführte über die niedere Phänomenalität hinaushebt. Einmal mehr zeigt sich das Autoritative, im Wortsinn Konventionelle, das Buhlen um Verständnis, das die Kunst umgibt. Kunst ist konservativ, sie hält die Werte hoch, wo es andernorts um die pure Dumpfheit geht. Eben deswegen versteht die Kunst nichts von der Welt. Und eben deswegen haben die seriösen Linken, Adorno allen voran, auf künstlerische Autonomie gesetzt. Büchels Arbeit ist in exakt diesem Sinn unseriös.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
... und öd:
w.stach | 09.03.2010 12:16 | antworten
- so wie derzeit auf einem anderen Tanzboden die gleichen chronifizierten Äußerungsfiguren reflexartig in Gang gebracht wurden und nun wechselweise in bekannter unorigineller Weise automatisiert abgespult werden. Kommunikation und Diskurs null.

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