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Metropolis

Er setzt den Höhepunkt des Utopismus, Kollektivismus, Futurismus, wie er typisch ist für die 20er Jahre. „Metropolis“ ersonnen von Thea von Harbou, inszeniert von Fritz Lang, ausgestattet von Erich Kettelhut, nutzt in aller Hybris die Gelegenheit, eine Gegenwelt aufzustellen, eine Para- Meta-, Hyperrealität, in der die Gesetze des Zusammenlebens um jenen hysterischen Moment weitergedreht sind, in dem alles nur noch Wahn und Wollust ist. Filmstill, Metropolis, Fritz Lang, 1927 Nicht, dass er mit den 118 Minuten, die er bisher lang war, die Welt auf lapidares Maß gebracht hätte. Vor zwei Jahren hat man indes weiteres Material zu „Metropolis“ gefunden, in Buenos Aires, es wurde restauriert und in eine Version eingearbeitet, die jetzt 139 Minuten misst. Das Ergebnis steht nun bereit. Am 12. Februar ist es auf arte zu bewundern. „Metropolis“ ist das Fanal der Selbstbezüglichkeiten. Man taucht ein in eine Welt des reinen, mechanischen, apparathaften Rotierens von Maschinen, Menschen, Mutanten, in eine Welt der stummen, uniformen, anonymen Somnambulik von Arbeiterkolonnen und ebenso in eine Welt der narzisstischen Aktivitäten einer Jeunesse Doree, die sich in sportlichem Wettbewerb ergeht. Alles ist in unablässiger Motorik, und alles ist dabei einer Choreografie der Insichgekehrtheit verhaftet. Es ist die pure Darbietung jenes „Ornaments der Masse“, von dem Siegfried Kracauer in eben dem Jahr 1927, in dem der Film Premiere hatte, Bericht erstattet, eine vom Ordnungsfieber ausgelöste Obsession von Muster und Rapport. „Metropolis“ kommt sicherlich mehr als zwei Jahre zu spät, die Überdrehtheit seines Plots, die Exaltiertheit der Bewegungsabläufe, die, egal ob schleppend oder rasend, stets dem allzu Betonten folgen, die bisweilen unerträgliche Sentimentalität der Mann-Frau- oder Vater-Sohn-Konstellationen und vor allem die eschatologischen Anwandlungen, die keine Sintflut und keine Erlöserfigur auslassen und die Wiederauferstehung in klassenübergreifender Harmonie predigen, sprechen die hocherhitzte Sprache des Expressionismus. „Metropolis“ ist kein Film, der die Stadt, wie sie in den fortgeschritteneren 20er Jahren Weltgeltung gewinnt, zum Thema hat. „Metropolis“ orientiert sich vielmehr an Ideen und Idealen, wie der Architekt Bruno Taut sie mit der „Stadtkrone“ aufgeworfen hatte, und paart sie, schließlich haben sich die Utopien totgelaufen, mit der Koketterie am Apokalyptischen. Was „Metropolis“ von der Metropole, die er im Titel trägt, zeigt, ist das Hochaufragende von steinernen Gebilden, die nach unten keinen Grund und nach oben keine Spitze haben, ist die Unbegrenztheit von Straßen und Luftverkehrswegen, deren endlose Erstreckung durch kein Bildformat aufgehalten wird, und ist überhaupt das Kolossalische als Selbstzweck. Das einzige, was in dieser megalomanen Unwirtlichkeit in strenger Übersichtlichkeit gehalten wird, ist die Hierarchie seiner Bewohner. Unten sind die Arbeiter, oben die Chefs, und daran wird auch nach der heftig akklamierten Vermählung des Mädchens aus dem Orkus mit dem Jungen vom Olymp nicht gerüttelt. Collage, Sinfonie der Großstadt, Walter Ruttmann, 1927 „Metropolis“ erreicht den Zenith mit gehöriger Verspätung. Im Jahr 1927 hat auch ein anderer Metropolen-Film Premiere, Walter Ruttmanns „Sinfonie der Großstadt“, das Porträt Berlins, wie es sich vor Augen stellt, geht man vor die Tür. Ruttmanns Film braucht keinen Set, seine Schauspieler sind die Menschen auf der Straße, und sein Ambiente ist die ganze Stadt Berlin. Die Aufnahmen vor Ort, der Milieus zwischen Morgendämmerung und nächtlichem Treiben, werden zusammen montiert und ergeben so die abendfüllende Länge eines Spielfilms ohne Spielszenen. Ein Film ist von vornherein das Ergebnis der Arbeit des Zerstückelns und Neukombinierens am Schneidetisch; dieser selbstverständliche Umgang mit dem Material wird nun kurzgeschlossen mit der Charakteristik der Großstadt: Auch das Leben in der Metropole ist nichts anderes als ein Zerstückeln und Neukombinieren von Eindrücken, Routinen, Reaktionen. Hier entfaltet sich die neue Moderne. Der Futurismus von „Metropolis“ ist demgegenüber von gestern.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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