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Ben Washington - The Private Citizen: Sachte Pracht

Wie ist es möglich, dass wir immer wieder mit Momenten zu tun bekommen, in denen uns etwas auffordert, einen Blick für immer zu behalten? Diese Frage mag eine protestantisch nüchtern gefasste Sehnsucht nach Rausch versinnbildlichen. Schließlich verändert Rausch die Zeit ähnlich wie ein Moment, der verlangt, dass man sich an ihn für immer erinnert. Es gibt Räusche ohne Kater, genauso wie es Orgasmen ohne Sex gibt, denn das Hirn ist eine wundervolle Landschaft, in der abertausend Bilder vorkommen, von denen man nie weiß, wann sie auftauchen – und wer eine neue Figur von Schönheit und Rätsel und dem Flüstern der Artefakte einspeisen will, kann pflichtfrei und erwartungsvoll in die Galerie Dana Charkasi über dem Griechenbeisl gehen und sich die erste österreichische Einzelausstellung des Londoner Künstlers Ben Washington ansehen. „The Private Citizen“ heißt die Schau, und begrüßt wird der Betrachter durch die Arbeit „König der Straße“, eine in diesem Jahr entstandene Rauminstallation, die im ersten Raum schwebt. Kann die Straße einen König haben? Können zwei schwere Holzbretter und ein sie verbindender Eisenbogen aus vielen blauen Streben eine Palme mit goldenen Blättern balancieren und deswegen königliche Macht ausüben? Und da Könige ja vor allem für Märchen gut sind, die Straße aber für Autos: sollten wir uns diese seltsame Vermengung wirklich wünschen? „The Private Citizen“ ist von 2009 und im zweiten Raum, und die Privatheit des Städters scheint frei von Herrschaft. In der Privatheit des Städters darf viel vorkommen, was außerhalb der Stadwohnung niemanden angeht, Räusche zum Beispiel sind nicht strafbar, solang man damit nicht Auto fährt. Die Freiheit, einem würdevollen Rätsel gegenüberzustehen und das Vergnügen am Unverständnis darüber, was dieses Rätsel bedeutet im wirklichen Leben – könnte sich so der Rausch eines privaten Städters anfühlen? Die Teile, aus denen „The Private Citizen“ besteht, sind gefunden und gewöhnlich, aber aus ihrer Gewohnheit gerissen – eine gepolsterte Sessellehne, eine golden-gesichtslose Tierfigur, ein dezentral an der Sessellehne angebrachtes Sieb, in dem blaue Farbe verschüttet ist und das an obszönorange gefärbte Vielleicht-Schaschlik-Stäben an der Sessellehne und an der Wand mit einem Baumarktregalträger befestigt ist. Am Siebnabel hängt zuunterst und spitz auf den Boden weisend eine blau bekleckerte Holzstabkonstruktion, die in beinah-gotischen Bogenrauten lapidar verziert ist. Das Objekt, das all das zusammen bringt, ist eins, dessen Proportion und Heiterkeit zwitschern wie Champagnerblasen an einem puderhellen Vormittag im Mai… vielleicht. Sowas ist selten, und die Arbeit von Ben Washington ist selten seltsam. Es gibt noch weitere Objekte, und es werden noch viel viel mehr Buchstaben und Gespräche und Gedanken für alle verwendet werden. Weil das Raubtierflimmern von Dingen nicht aufhört, wenn die Dinge so außerhalb ihrer angestammten Sprache zusammengeführt werden, daß ihr Raunen beginnt,  im Hirn schmerzfrei zu schnurren.
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Ben Washington - The Private Citizen
20.01 - 27.02.2010

Galerie Dana Charkasi - Plattform aktueller Kunst
1010 Wien, Fleischmarkt 11/2
Tel: +43 1 532 10 29, Fax: +43 1 532 19 79
Email: office@dana-charkasi.com
http://www.dana-charkasi.com/
Öffnungszeiten: geschlossen


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