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Corinne Wasmuht: Supracity: Bodenloses Brauchtum

Wenn man sich Malerei als Benutzeroberfläche vorstellt, könnte man bei den Lebensumständen des Benutzers landen. Der heutige Benutzer von Malerei kennt bewegte Bilder und Geräte, die ihn ortsunabhängig mit solchen verknüpfen. Das Tempo zwischen den Orten hat sich vergrößert, die Verweildauer an ihnen verkürzt. Auf einem flachen Träger diese räumlich zersprengte Wirkung herzustellen darf also als benutzerkundig gelten, und das Verdienst von Corinne Wasmuht besteht wohl darin, für ihr Werk eine Optik erfunden zu haben, die sowohl die Vergrößerung menschlichen Zugriffs als auch die Standortunabhängigkeit einer Person erlebbar werden läßt. So spielt „Pathfinder“ (243x324, zweiteilig, Öl auf Holz, 2002) mit übereinanderliegenden und ineinandergreifenden Ebenen. Über eine zentralperspektivisch angelegte Straßenführung ins Bildinnere ragt eine zweite Trasse. Davor sind schemenhaft-pixelartige Hochhausfassaden erkennbar, deren Fundamente im Ungefähren bleiben. Zahlreiche Lichtflecken erinnern an großstädtische Verkehrsbewegungen. Im Hintergrund wölbt sich ein rotblaues Gebirge, dessen Erreichbarkeit jedoch infrage zu stehen scheint – tatsächlich handelt es sich dabei um den fehlgegangenen Aufnahmeversuch der Marsoberfläche, bei der tatsächlich der Fallschirm der Kamera von ihr aufgenommen wurde. Tempo und Verlorenheit bleiben als Eindruck haften; es gibt kein Wetter und kein bestimmbares Tageslicht – spräche nicht das Format dagegen, könnte es sich auch um eine Spielkonsole handeln. Die beiden anderen großformatigen Gemälde in den unteren Räumen im Haus am Waldsee konfrontieren den Betrachter ebenfalls mit einer fraktalen Welterfahrung. Wenn es eine Heillosigkeit der Moderne gibt, wird der Betrachter darin abgeholt und bestätigt – bis hin zur Entkörperlichung der Personen, die lediglich noch durch lieblose Faltenwürfe ihrer Kleidung angezeigt werden. In den oberen Räumen hingegen finden sich frühere Arbeiten, in denen die Raumzersplitterung allmählich entwickelt wird, die aber nicht unmittelbar den Anspruch erheben, den Betrachter in diese Situation zu versetzen. So wird bei „Mikroskopische Anatomie“ (254x381, dreiteilig, Öl auf Holz, 1994) eine Vogelperspektive auf eine pastellfarbene Gefäßschema-Landschaft sichtbar, die ihren eigenen dadaistischen Drall entwickelt. Dezente Schattensetzung und penible Ausarbeitung bilden dabei einen wirkungsvollen Kontrast zur Größe des Gemäldes. Die Texte im zur Ausstellung erschienenen Katalog erklären, dass Wasmuths Werk mit der Zufluchtshoffnung, die Malerei vor der Sektion durch die Moderne zu transportieren wußte, aufgeräumt hat („zerbrochener Spiegel“ scheibt Stephan Berg). Der Ort für Utopien scheint verbraucht – der Nichtort erreicht. Sollen wir solcherart aufgeklärt also Heimat durch GPS ersetzen?
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Corinne Wasmuht: Supracity
11.12.2009 - 21.02.2010

Haus am Waldsee
14163 Berlin, Argentinische Allee 30
Tel: +49 30 801 89 35, Fax: +49 30 802 20 28
Email: info@hausamwaldsee.de
http://www.hausamwaldsee.de
Öffnungszeiten: Di - So 11-18 h


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