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Karl der Kühne - Glanz und Untergang des letzten Herzogs von Burgund: Herbst

Karl der Kühne heißt auf Französisch Charles le Téméraire. So kann man ihn gut von seinem Vorvorvorgänger im Amte des Burgunderherzogs unterscheiden, von Philipp dem Kühnen, der auf Französisch Philippe le Hardi heißt. Dass die Differenz von unserem eigenen Idiom nicht erfasst wird, lässt sich vermutlich darauf zurückführen, dass den Deutschsprachigen das Schicksal Burgunds nicht ganz so wichtig ist. Aber womöglich ihrer Untergruppe der Österreicher: Durch die Hochzeit von Maximilian, nachmalig als der Erste Kaiser des Reiches, mit Maria von Burgund, der Tochter des besagten Karl, erfüllte sich in voller Pracht der Sinn des schönen Hexameters: Bella gerant alii, tu felix Austria nube. All das passierte in der Zeit um 1470. Téméraire. Das heißt auf Deutsch so viel wie waghalsig, tollkühn, rotzfrech über den Toleranzbereich hinaus. Tatsächlich hat Karl sich etwas zu weit aus dem Fenster des Territorialen hinausgelehnt, er hat sich mit Frankreich angelegt und vor allem, was man seit Roman Polanski für allzu verwegen halten muss, mit der Schweiz. Da half ihm auch seine Heiratspolitik nichts mehr. 1477 verließ er das Schlachtfeld nur mehr als Leiche. Was bleibt von ihm ist die Orthodoxie des Hofzeremoniells samt Orden vom Goldenen Vließ, ist speziell die Herrschaft über Flandern mit seinen überreichen Städten, sind allerlei Zimelien, die man heutzutage eher als Kleinkunst zusammenfasst, und ist die Verfügung des Hauses Österreich über diese Schätze. Téméraire. Die Ausstellung, die das Kunsthistorische Museum dem kriegstreiberischen Karl angedeihen lässt, ist die erste, die vollständig unter Einsatz der neuen Direktorin über die Bühne ging. So lässt sich unvermeidlich sagen, dass die Entscheidung nicht eben tollkühn war. Die Sparten des KHM sind gut auf auf Linie gebracht worden, die Gemäldesammlung hat gegeben, etwa das Kreuzigungstriptychon Rogiers, die Rüstkammer hat reichlich Harnische verliehen, und die Kunstkammer, der Direktorin Leib-und-Magen-Abteilung, hat gar das Areal zur Verfügung gestellt, so dass man seine Räume jetzt nach langer Zeit wieder betreten kann, ohne sich in Plastikplanen zu verfangen. Die zwei Dinge, die man auf alle Fälle gebraucht hätte, sind nicht vor Ort. Es fehlt das einzig einigermaßen authentische Porträt des dreisten Debütanten, erstellt in der Werkstatt Rogiers, beheimatet heute in Berlin – dafür ist die Schau tapeziert von Kopien nach diesem Bildnis, es gibt sogar eine barock aufgeladene Neuinterpretation von Rubens aus den eigenen Beständen. Und es fehlt das bedeutendste Beispiel der Buchmalerei, das Stundenbuch der Maria von Burgund, heute in der Österreichischen Nationalbibliothek zuhause. Dass es nicht gezeigt wird, verwundert auch deswegen, weil die Praxis, statt des Originals ein Faksimile vorzuführen, ansonsten die Ausstellung ziemlich unbehelligt durchzieht. Das wichtigste Buch zum Thema trägt den Titel „Herbst des Mittelalters“. Johan Huizinga, der Autor, legt Wert auf die Feststellung, dass das altniederländische 15. Jahrhundert kein Neuanfang war, sondern eine Spätzeit, das triumphale, aber doch auch definitive Ende einer Epoche. So lässt sich entsprechend unvermeidlich sagen, dass auch die Schau des KHM unter neuer Direktion nicht gerade einen Aufbruch darstellt. Es ist eben Herbst.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Karl der Kühne - Glanz und Untergang des letzten Herzogs von Burgund
15.09.2009 - 10.01.2010

Kunsthistorisches Museum
1010 Wien, Burgring 5
Tel: +43 1 525 24 0
Email: info@khm.at
http://www.khm.at
Öffnungszeiten: Di-So 9.00-18.00


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