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Katharina Grosse - Blut baut das Herz: Der vitale Horizont

Räume, die über die Größe eines menschlichen Körpers hinausweisen, haben gemeinhin einen Horizont, also die Kante, an der der Himmel auf die Erde stößt. Bis zum Horizont kann man den Raum sehen, und die Allgemeinerfahrung heißt: nicht mehr als einen Horizont pro Raum. Wenn man keinen Horizont sieht, sondern einen Ausschnitt auf eine Welt von oben, heißt das Vogelperspektive und, dass es da unten doch einen Horizont gibt, einen einzigen, wie sich das landläufig gehört. Katharina Grosses Ausstellung Blut baut das Herz scheint mit dem Titel etwas biologisch-körperliches anzusprechen, die Landschaft von Adern und Pumpe und pulsierenden Flüssigkeiten, die des leibeigenen Innenraums, die für sich genommen keinen anderen Horizont hat als die Haut, auch die aus Netz im Auge hinten. Also kann darauf geachtet werden, inwieweit sich der Pulsschlag verändert, wenn wir die Bilder ansehen. Der Schriftsteller Stendhal erfand das als Syndrom, wie Kunst auf den Menschen einwirkt, und die Protestanten fanden das bedenklich – weil es könnte romantisch sein, und darauf läßt sich keine Marktwirtschaft aufbauen - und die Psychologen nannten das einige Zeit Hysterie... Also die Frage lautet: Kann Katharina Grosses Blut-baut-das-Herz-Schau eine Eigenleiberfahrung von der Größe eines echten Stendhalsyndroms generieren oder kann sie es nicht? Souverän benutzte malerische Methoden mit technoiden Charme und drall raumgreifende Farbe sind aller Grafittipoeten zum Trotz selbst in einer mondän versierten Stadt wie Wien keine Standardbestückung, aber so ein Exklusivcharakter ist für einen Schnellrausch vielleicht noch zu billig. Auf das variierte Sujet eines Zusammenpralls von mindestens zwei verschiedenen und voneinander deutlich abgegrenzten Bildräumen, die einander nicht ergänzen, sondern gleichlaut ein Neben etablieren, kommt man später. Katharina Grosse malt keine wirklichen Räume, die aufeinander prallen, sondern Malerei-Räume, die verschiedene Oberflächen und Richtungen, Farbverläufe und Grenzsetzungen aufweisen. Die Figuren, in denen der Zusammenprall geschieht, wirken weder verkrampft gesucht noch absichtlich unoriginell – sie drängen sich gegenüber dem, was als durchgängig ausgewogenes Zwei-Raum-sehen vorgeführt wird, eher in den Hintergrund. Die beiden zusammengeprallten Räume sehen in sich so aus, als könnte man jeweils in ihnen einen Horizont sehen. Also handelt es sich um Bilder, die von zwei Horizonten handeln, was der gängigen leibhaftigen Erfahrung widerspricht. Katharina Grosse wurde bekannt mit überbordenden räumlichen Malerei-Interventionen, die zunächst  Skepsis gegenüber dem Tafelbild bei gleichzeitiger Sehnsucht nach der unbedingten Primfarbe vermitteln. Die Blut-baut-das-Herz-Schau hingegen deutet an, dass Malerei ein Mittel für Raumbetrachtung aus verschiedenen gleichzeitig einnehmbaren Standpunkten ist und somit physikalisch als Eigenleib-wird-UFO-Methode anerkannt werden sollte. Und wem das nicht herzbeschleunigend genug klingt, der könnte sich geschmeidig auf die Idee einlassen, dass die Programmatik einer solchen Malerei dem Kubismus jedenfalls im Hinblick auf farbliche Vitalität haushoch überlegen sein dürfte.

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Katharina Grosse - Blut baut das Herz
12.09 - 07.11.2009

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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