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Daniel Buren: Hommage à Henryk Stazewski, Cabane éclatée avec tissu blanc et noir, travail situé, 1985-2009: Musealisierung der Kritik?

Daniel Buren ist durch sein System eines „visuellen Werkzeuges“ aus 8,7 Zentimeter breiten weißen und farbigen Streifen bekannt geworden. Der französische Konzeptkünstler trägt seit den sechziger Jahren stets gleich breite Linien auf unterschiedliche Formen und Materialien auf. Diese Streifen beschränkten sich im Laufe der Zeit nicht mehr auf vorgefundene Säle oder Objekte sondern stellten nach und nach eigene Räume der Architektur in der Architektur dar. Buren übte damit in den sechziger Jahren Kritik am bürgerlichen Kunstbetrieb und dessen Begriffen. Besonders setzte er sich mit dem Museum als dem scheinbar notwendigen Ort der Initiation von Kunstwerken auseinander und weitet diese Kritik schließlich auf den ganzen öffentlichen Raum aus, den er im Laufe der Jahre als zunehmend musealisierend empfindet. In den siebziger Jahren folgt Buren einer Einladung nach Polen und trifft auf den 44 Jahre älteren Künstler Henryk Stazewski. Der polnische Konstruktivist vertritt zwar auch einen radikalen künstlerischen Ansatz, seine Kritik richtet sich jedoch weniger an den Kunstbetrieb als vielmehr an die Malerei. Stazewski ist eines der führenden Mitglieder der legendären Bewegung polnischer Konstruktivisten der zwanziger und dreißiger Jahre. Unter anderem ist es seiner Initiative zu verdanken, dass das Kunstmuseum in Lodz seit dem Jahr 1931 eine „Internationale Sammlung“ moderner Kunst aufbaut. In erster Linie ist er jedoch Maler, beschäftigt sich mit abstrakten und monochromen Kompositionen. Stets bleibt er der Abstraktion treu. Als Konstruktivist seiner Zeit voraus, vertrat er die Meinung, dass man mit geometrischen Formen immer wieder neue Fragestellungen entwickeln kann. So finden sich in seinen späteren Werken etwa Elemente, die sich aus der Flächigkeit des Bildes in den Raum hineinzuschieben scheinen. Die erste Begegnung der beiden Künstlerpersönlichkeiten findet im Rahmen der Einzelausstellung Burens in der Warschauer Foksal Galerie im Jahre 1974 statt. Der Ausstellungsort ist Stazewskis Privatwohnung, die gleichzeitig als Atelier dient. Buren stellt hier nicht nur seine Werke aus, er wohnt auch bei dem polnischen Künstler während der gesamten Vorbereitungsphase. Das Atelier ist zu dieser Zeit mehr als ein Werkraum, es gleicht einem gastfreundlichen Asyl. Viele Jahre lang trifft sich dort die Kunstszene, der Platz dient als inoffizielles gesellschaftliches Parkett Polens. Die Geste Stazewskis, sein Atelier einem anderen Künstler zur Verfügung zu stellen, muss Buren beeindruckt haben, denn 1985, also zehn Jahre nach ihrer Warschauer Begegnung lädt Stazewski Daniel Buren nicht nur als „Co-Exhibitor“ für eine Ausstellung in das Moderna Museet nach Stockholm ein, sondern entwirft für den Konstruktivisten ebenfalls ein Domizil. Die „Revanche“ wird nun 21 Jahre nach dem Tod Stazewskis durch Buren wiederholt. So soll jedenfalls die jetzige Schenkung Burens (Titel: Cabane éclatée avec tissu blanc et noir, travail situé“) an das Lodzer Museum, nach seiner dortigen Einzelausstellung verstanden werden: als Hommage. Wie bei allen „Cabane éclatée“ Burens, handelt es sich auch bei dem Lodzer Neuzugang um einen Kubus, der aus Modulen bespannter Holzrahmen zusammengefügt ist, und zentral im Ausstellungsraum platziert wurde. Versehen mit einem Dach und Türen ergibt sich so ein Raum im Raum, mithin also jene „Architektur in der Architektur“. Die Füllstücke der ausgeschnittenen „Türen“ werden dabei an die gegenüberliegenden Wände „projiziert“, so dass die „Zersetzung“ der Architektur vom Betrachter nachvollzogen werden kann. Der sieht sich, wie bei allen „Cabane éclatée“, zwar einem skulptural-architektonischen Gebilde gegenüber, das aus den Hauptbestandteilen der Malerei - nämlich Rahmen, Leinwand und Farbe - zusammengesetzt ist, er muss sich aber in das Innere begeben um visuell die Zusammenhänge zwischen der „zersprungenen Hütte“ und den Werken Stazewskis (die im Innern des Kubus aufgehängt sind) zu begreifen. Und auch erst der Blick in das Innere macht deutlich, warum sich beide Avantgardekünstler, die mehr als eine Altersgeneration trennt, zumindest in ihrer formalen Bildsprache gut verstehen. In welchem Maße durch diese Anordnung die Kritik an der Musealisierung wiederum selber eine Musealisierung erfährt, mag der Betrachter selbst entscheiden.
Mehr Texte von Berenika Partum

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Daniel Buren: Hommage à Henryk Stazewski, Cabane éclatée avec tissu blanc et noir, travail situé, 1985-2009
28.04.2009

ms – Muzeum Sztuki
90-734 Lodz, ul. Wieckowskiego 36
Tel: +48 42 633 97 90, Fax: +48 42 632 99 41
Email: muzeum@msl.org.pl
http://www.msl.org.pl/
Öffnungszeiten: Di-So 12-19h


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