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Making Nature: Klosett im Grünen

Umweltschutz, so formulierte Boris Groys einst einen klugen Gedanken, ist als Begriff und Phänomen eine Unmöglichkeit. Schützen kann man nur etwas, das man in sich hegt, das man umfängt und einbettet. Umwelt aber ist das Gegenteil davon, ist das Außerhalb, das nicht Eigene und nicht Eigentliche, dem man ausgesetzt ist. Umweltschutz kann sich immer nur aufs Kleine richten, aufs Gehätschelte und Getätschelte. Das Ideal des Umweltschutzes ist der Froschteich. Oder der Schrebergarten. In aller Unfreiwilligkeit steht das Wochenendbiotop aller Werktätigen im Mittelpunkt einer Ausstellung, die sich weltumspannend "Making Nature" nennt. Die Prämisse, dass Natur immer eine Konstruktion ist, kann man durchaus teilen. Wenn diese Prämisse aber der Kunst in den Schoß fällt, dann ist das Niedliche und Idyllische und Schneewittchendörflerische nicht weit. Gleich fünf der fünfzehn Beteiligten internationaler Provenienz haben in die Ausstellung eine Hütte gepflanzt: Als Vogelhäuschen (Kristin Reynisdottir) oder Schmalspurorangerie für Zimmergewächse (Wilhelm Scherübel), als Reminiszenz an die Urbehausung (Toni Kay) oder als Unterstand (Lois Weinberger) appellieren sie an die Modelleisenbahnermentalität. Mark Dions letztes Jahr bereits bei Georg Kargl zu bewunderndes Kellerabteil heißt gleich "Deep Time Closet". Es gibt eine Parklandschaft im Mini-Format von Volker Andresen, die sich aus Badesalz, Wischtuch und sonstigen Sanitär-Artikeln aufbaut. Dann gibt es Foto-Serien und Video-Projektionen, und stets aufs Neue zeigt sich, dass weniger Natur gemacht als der eigene Unterschlupf ausgemessen wird. Und die Arbeit von Igor Sacharov-Ross nennt sich dazu "Inneres Observatorium". Wie immer bei Ausstellungen, die daneben liegen, zeigt sich eine Arbeit, die trifft. Diesmal stammt sie von Günther und Loredana Selichar und führt das Gemetzel vor, das Windschutzscheiben an der Insektenpopulation anrichten. Alle Sekunde stülpt wieder eines der Tierchen seine Eingeweide nach aussen. Alle Sekunde entsteht ein neues Bild eines Lebenwesens, für das der Mensch und seine Errungenschaften die Umwelt darstellen. Doch auch hier ist das Prinzip Häuschen nicht weit. In diesem Fall verkleidet es sich als Auto.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Making Nature
08.05 - 01.09.2002

Augarten Contemporary
1020 Wien, Scherzergasse 1a
https://www.erstestiftung.org/de/events/kyjiw-bienniale-2023/
Öffnungszeiten: Mi - So 12-18 h


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