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Freier Eintritt

„The paintings in the National Gallery belong to the public and entrance to see them is free.” Mit der Nationalgalerie, aus deren Broschüre hier zitiert wird, ist die in London gemeint, und anstatt sich in Venedig oder Basel die Füße einschlafen zu lassen, könnte man sie zum Beispiel besuchen. Van Eycks Arnolfini-Hochzeit anschauen, Velazquez` Rokeby-Venus, Manets und Menzels Tuileriengärten beieinander, die beiden Lieblingsbilder der Briten, Constables Heuwagen und Turners Letzte Fahrt des Schlachtschiffs Temeraire, sowie den großartigsten Museumssaal des Universums, den Renaissance-Raum mit acht Raffaels, zwei Michelangelos, drei Bronzinos und Sebastiano del Piombos Lazarus, den er im Auftrag von Michelangelo schuf, um Raffael in die Parade zu fahren. Und das bei freiem Eintritt. Warum ist es eigentlich so schwer für alles, was nicht England ist, diesen Satz zu beherzigen: „Die Gemälde in der Nationalgalerie gehören der Öffentlichkeit, und der Zugang, um sie zu sehen, ist frei“? Solche Worte sind in ihrer Lapidarität und der gesellschaftlichen Dimension, die sie beinhalten, nicht weniger als erhaben. Das symbolische Kapital, das hier anfällt, ist dauerhafter als Erz. Man könnte diese Worte wohlfeil verallgemeinern, und doch passiert es nicht. Nicht in Frankreich, nicht in Deutschland und nicht in Österreich. Dass das keine ökonomischen, sondern politische Gründe hat, liegt auf der Hand. Außerhalb England scheint es keine Civil Societies zu geben, wo man auf die lausigen paar Millionen, die mit Eintrittsgeldern erwirtschaftet werden, verzichtet, weil der Gewinn im Common Sense liegt. Nicht, dass England jenseits seiner Museen anders funktionierte als der Rest Europas. Aber eben diesseits, im Umgang mit dem nationalen Erbe und im Gemeintsein der Einwohnerschaft im Fokus der Kunst. Dass davon auch die Touristen etwas haben, wird der Reputation nicht weiter schaden. Stellen wir uns den freien Eintritt einmal andernorts vor. Sagen wir in Wien. Das Kunsthistorische Museum geht also mit bestem Beispiel voran und bittet die Massen ungeschröpft zum Kanon. Das MAK, ohnedies großzügig mit Freikarten, zieht sogleich mit. Es folgen Mumok, Belvedere, und wie sie alle heißen. Tritt die Albertina auf den Plan: Man habe nur Wechselausstellungen, und die würden auch in London etwas kosten, was das Kunsthistorische anstrenge, sei also Wettbewerbsverzerrung. Meldet sich der Boulevard: Österreichs Erbe ist das Wertvollste, was es gibt, und das muss sich auch pekuniär niederschlagen. Und überhaupt die Demokratie: Der Steuerzahler ist ohnedies genug geschröpft, und auch die Fußballfans zahlen. Kommt das Kunstministerium: Schulgelder sind längst abgeschafft, das sollte reichen an bargeldloser Bildung. Schlichtet schließlich der Kanzler: Es bleibt alles beim Alten. Aus der Broschüre des KHM: „Die Gemälde in diesem Museum gehören der Obrigkeit, und der Zugang, um sie zu sehen, regelt sich an der Kasse.“
Mehr Texte von Rainer Metzger

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