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La Force de l`Art: Gewächshaus für aktuelle Kunst

Dass die Übersichtsschau „La force de l’art“ im Pariser Grand Palais keine klassisch kuratierte Ausstellung geworden ist, in der sich Exponate aufeinander beziehen oder demselben Themenfeld entstammen, entspricht ihrem Programm. Schließlich soll die Triennale die Diversität der aktuellen französischen Kunst widerspiegeln und deren verloren gegangene „Kraft“ – die der typisch französisch-unbescheidene Titel beschwört – wiederbringen. Dass aber auch diese magische „Kraft“ in ihrer Ausprägung stark zwischen den einzelnen Werkgruppen schwankt, ist bedauerlich, reflektiert jedoch offenbar den aktuellen Pariser Geschmack. So scheint bei vielen der 41 Künstler im Grand Palais das Konzept eine größere Rolle zu spielen als die visuelle künstlerische Präsentation – das aus Schaumstoff-Schneeflocken gebaute Iglu von Le Gentil Garçon etwa bleibt verspieltes Design für große Kinder, selbst wenn es auf naturwissenschaftlicher Reflektionen basiert. Wiederholt stehen gefällig-minimalistische Skulpturen oder Design-/Bauhauszitate, die in ihrer Größe die „Kraft“ zu finden suchen, verloren in der dem Glashaus eingeschriebenen White-cube-Ausstellungsarchitektur und wecken die Assoziation zum Messe-Ausstellungs-Zwitter „abc“, den Galeristen vergangenen Herbst in Berlin ins Leben gerufen haben. Wo bleibt der Neuwert, wo versteckt sich die Kraft?, muss sich fragen, wer bei Kenntnis Gordon Matta-Clarks Arbeiten auf ein in zwei Hälften geteilten, selbst konstruierten Yuppie-Bungalow stößt. Dennoch gibt es auch Interessantes zu entdecken, etwa die alternde Installation von Michel Blazy, der in zwei unzugänglichen, selbst geschaffenen Räumen mit erdigem Boden und netzartigen Wänden aus grünem Klebstoff einen Riesenzahn aus Polyurethanschaum, Eiern, Paniermehl, Schokoladenpudding und gezuckerter Kondensmilch neben verspätete ‚Ostereier’ aus Agar-Agar setzt, die unter der starken Sonneneinstrahlung rapide ihre Form und Farbe verändern. Fragen zur Vergänglichkeit sowie dem Sinn und Bestand eines Kunstwerks wirft auch Wang Du’s Installation „International Kebab“ auf, bei der aufgestapelte Fotos auf einem immensen Spieß rotieren und auf drei Etagen vom Besucher beschnitten werden können. Kunst als Konsumgut wird hier ebenso reflektiert wie die Übermacht an Bildern. Der amerikanisch geprägten Konsumgesellschaft, in der Werbung und politische Propaganda nahtlos ineinander übergehen, hält Damien Deroubaix mit seinen großformatigen Aquarellen einen Spiegel entgegen. Für den Grand Palais hat der Maler zudem drei 5,50 m hohe Skulpturentürme gebaut, die auf Wach- und Ölbohrtürme rekurrieren und politische Macht hinterfragen. Wie sein Raum dürfte auch der von Philippe Perrot, dessen expressiv-surrealistisch gemalte Gruselmärchenbilder sehr museal präsentiert werden, viele Besucher ganz besonders interessieren. Denn beide für Frankreich untypische (und daher im Ausland lebende) Maler zählen zu den vier diesjährigen Kandidaten des Prix Marcel Duchamp, der im Herbst auf der Kunstmesse Fiac verliehen wird. Letztlich muss das Resümee zur zweiten Auflage der Triennale also gemischt ausfallen, sie ist aber als Fortschritt zum ersten Versuch zu sehen, in dem 15 (statt nun drei) Kuratoren mehr als 200 Künstler präsentierten. Die Messe-Assoziation konnte sie heuer aber trotz einiger gut konzipierter Einzelausstellungen nicht ganz abschütteln, was nicht zuletzt dem Ausstellungshaus selbst geschuldet ist, das neben weiteren Messen jeden Herbst die Fiac beherbergt. Erfreulich ist allerdings, dass versucht wurde, vor allem jungen Künstlern eine Plattform zu geben, und die älteren Bekannten wie Daniel Buren oder ORLAN nur als „Visitors“ eine Art Rahmenprogramm an prominenten Orten von Paris liefern. Der Boden ist der jungen zeitgenössischen Kunst bereitet, jetzt muss diese nur noch auf ein konstanteres Niveau heranwachsen.
Mehr Texte von Conny Becker

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La Force de l`Art
24.04 - 01.06.2009

Grand Palais
75008 Paris, Avenue Winston Churchill
https://www.biennale-paris.com/
Öffnungszeiten: täglich 11-21 h


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