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Otto Dix - Zwischen Paradies und Untergang: Marter ohne Mitleid

Es gibt eine ganze Reihe von Künstlern und Künstlerinnen der historischen Avantgarde, die im hiesigen Ausstellungsbetrieb, gemessen an ihrer Relevanz, haarsträubend unterrepräsentiert sind. Hannah Höch gehört ebenso dazu wie George Grosz sowie eine beträchtliche Zahl russischer Konstruktivisten. Bis dato zählte auch Otto Dix dazu. Nun hat die Kunsthalle Krems – die heuer ein überaus ambitionierten Programm präsentiert, auch wenn die ursprünglich geplante Birgit-Jürgenssen-Retrospektive entfällt – dem Maler eine umfassende Ausstellung gewidmet, die, darauf weist man besonders hin, vor allem auch dessen Alterswerk zeigt. Bekannt wurde Dix jedoch einerseits mit seinen Kriegsbildern, andererseits mit Porträts aus den gesellschaftlichen Randzonen. Bei seinen Frauenbildern schrammt er dabei stets scharf an der Grenze zur Misogynie entlang, nimmt seinen „Dirnen“, seinen „Puffmüttern“, die zuerst Vergewaltigten, dann Ermordeten sowie seinen Greisinnen noch den Rest an Würde, bildet sie als nahezu schon Tote ab; andererseits ergeht es auch den Soldaten nicht besser, die aufgespießt, verkrüppelt, von Würmern zerfressen nur noch Materie darstellen. Man müsse als realistisch arbeitender Künstler, erklärte er einmal, „auch eine Marter ansehen können, ohne in Mitleid zu zerfließen“. Unbarmherzig führt Dix seine Entseelten vor – der Anteilnahme steht dabei der Ekel im Weg. So brutal ist kein Grosz, kein Beckmann, kein Schlichter. Umso mehr erstaunt auf dieses Panorama der Verdammten folgend das spätere Werk: Dix, von den Nationalsozialisten als entartet gebrandmarkt, malte in der inneren Emigration hyperrealistische Landschaften voller Pathos, die als Metaphern auf Krieg und Zerstörung gelten können; und später wandte er sich dem sakralen Genre zu, stellt sich selbst als Heiliger Lukas dar, der eine Madonna malt; die entsprechenden Gemälde aus wie so vieles, was seit den 1950er-Jahren Kirchen in „fortschrittlichen“ Pfarren bestückt. Viel lässt sich über diese eigenartigen Werkphasen nicht in Erfahrung bringen – auch der Katalog schweigt weitgehend darüber. Dass dessen Aufsätze ausgerechnet wieder den Kriegsmaler und Realisten Dix in den Vordergrund rücken, steht der alle Schaffensjahrzehnte umfassenden Retrospektive entgegen. Doch derartige Ungereimtheiten ändern nichts daran, dass die Ausstellung eine Lücke schließt.
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Otto Dix - Zwischen Paradies und Untergang
15.03 - 12.07.2009

Kunsthalle Krems
3500 Krems, Franz-Zeller-Platz 3
Tel: +43-2732 90 80 10, Fax: +43-2732 90 80 11
Email: office@kunstalle.at
http://www.kunsthalle.at
Öffnungszeiten: Di - So und Mo wenn Feiertag 10-18 Uhr; in den Wintermonaten 10-17 Uh


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