
Tatiana Lecomte - Scriptures Without Words: Was einmal war
Das Medium Fotografie mit all seinen Möglichkeiten und Bedingtheiten steht derzeit im Zentrum einer Ausstellung der Galerie Stadtpark in Krems. Die deutsch-französische Künstlerin Tatiana Lecomte wirft anhand von drei fotografischen Serien Fragen der Vermittlung, der Manipulation und der Authentizität von Dargestelltem auf. Mehrere Jahre hindurch reiste Lecomte quer durch Europa, um ehemalige KZs, Außenlager und Orte von NS-Massakern aufzuspüren. Erst mit der Zeit gelang es ihr, eine künstlerische Strategie zu entwickeln, um das Grauen dieser Orte fotografisch zu vermitteln.
An der linken Wand des Hauptraums der Galerie sind drei großformatige C-Prints unter dem Titel „Der Teich“ zu sehen. Auf den ersten Blick handelt sich um idyllische und stimmungsvolle Sommerbilder eines Gewässers an einem nahen Birkenwäldchen. Doch bei näherer Betrachtung entdeckt man einen schwarzen Balken im Bild, den man vielleicht als Wand entlang des Birkenwäldchens identifiziert. In Wirklichkeit jedoch handelt es sich um eine künstlerische Intervention von Lecomte. Sie schnitt das Negativ auseinander und die Leerstelle wurde schwarz bei der Belichtung. Diese Verfremdung irritiert optisch und weist darauf hin, wie prekär hier eine herkömmliche Aufnahme gewesen wäre. Bei dem Teich handelt es sich um ein Gewässer im Lager Auschwitz-Birkenau, in das die Asche der verbrannten Menschen gekippt wurde.
Anhand von fotografischen Techniken den ersten Blick zu stören und eine dokumentarische Lesart zu verweigern sind ein Strategie von Lecomte, die sich auch in der Arbeit „Oradour“ (2007) zeigt.
Oradour sur Glane, ein kleiner Ort in Zentralfrankreich gelegen, ist vor allem wegen dem Massaker, das die SS 1944 an den Dorfbewohnern beging, bekannt. Damals wurden in Kirche und Rathaus hunderte Menschen eingesperrt und die Häuser angezündet. Über sechshundert Menschen starben. Sechs Dorfbewohner überlebten. Das Dorf brannte bis auf einige Ruinen aus. Heute ist es eine Ruinenstadt, die künstlich am Leben erhalten wird und deren Baufälligkeit schon mit Eisentravesen abgestützt werden muss.
Lecomte nahm diese heute etwas absurd anmutende Ruinenstadt zum Anlass für eine Fotoserie. In der Galerie Stadtpark sind vier großformatige Fotografien in bunten und schwarz-weissen Unschärfen zu sehen. Lecomte fotografierte die einmal gemachten Fotos in Ausschnitten immer wieder, bis die dargestellten Objekte grobkörnig veschwammen. Betrachtet man die Arbeiten ohne jegliches Vorwissen, so vermitteln sie etwas Unheimliches. Es ist die Andeutung von Verbrechen, die hier auf den Betrachter überspringt und die sich nicht zuletzt auch aus einem filmischen Bilderwissen speist. Die Arbeit „Oradour“ von Lecomte erinnert auch an fotografische Arbeiten von Christian Boltantski der Neunziger Jahre, wo er sich ebenfalls mit nationalsozialistischen Gewaltverbrechen auseinandersetzte.
Dass es Tatiana Lecomte nicht um einen dokumentarische abbildhafte Wiedergabe unheimlicher Orte geht, sondern um eine fotografische Befragung solcher Stätten, zeigt sich auch bei der letzten zu sehenden Arbeit in der Galerie Stadtpark. Unter dem Titel „Einfaches Motiv“ von 2009 hat sie über vierzig schwarz-weiß Fotos in kleinerem Format gemischt, wo Laub, Unterholz oder Gräben zu sehen sind. Es könnte sich dabei um Orte von Verbrechen, handeln, was sie aber nicht sind. Lecomte untersucht damit die fotografische Codierung von Orten des Verbrechens im Allgemeinen und führt den Betrachter damit in die Irre. Letztendlich versucht Lecomte mit fotografischen und künstlerischen Mitteln, sich Themen wie Unmenschlichkeit und historisches Unrecht anzunähern.
07.03 - 11.04.2009
Galerie Stadtpark
3500 Krems, Wichnerstrasse
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Email: office@galeriestadtpark.at
http://www.galeriestadtpark.at
Öffnungszeiten: Mi-Sa 11-19 Uhr
Weihnachtsferien 24.12.2010 - 06.01.2011