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Art Basel Miami Beach 2009: Kunstmarktkrise oder Kunstkrise?

Ein wenig ortientierungslos irrt der Besucher durch die neu gestaltete Messe, die jetzt einen Grundriss nach dem Muster der Mutter in Basel erhalten hat. Einiges ist in die Messe, also in das Convention Center, hineinverlagert worden, anderes konzentrierte man im Collins Park, da wo früher die Container mit der ganz experimentellen Kunst zur Party luden. Kann man sagen, dass die Messe dadurch etwa weniger poppig, etwas weniger attraktiv geworden ist? Man kann. Sie ist natürlich immer noch von exzellenter Qualität, aber auch etwas bräsig. Und: Eine Krise macht sich bemerkbar. Nicht die Finanzkrise, nein, beilieibe Die gerade eben nicht, sondern die Nachschubkrise für hochwertige ältere Kunst, vulgo Klassische Moderne. Die Händler, deren Domäne das gewesen ist, beackern dieses Feld zwar weiter, versprechen sich offenbar aber mehr von einer Angebotserweiterung in Richtung Nachkriegsklassiker, natürlich mit Pop Art, die jetzt sogar bei Gmurzynska (Zürich, Zug, St. Moritz) an den Wänden prangt. Einiges rissen US Marshals vor Messebeginn dort von der Wand. Ein etwas aufgeregter Konkurrent wollte damit Publicity bekommen. Er behauptet, Gmurzynska schulde ihm gut 700.000 Dollar, fand einen Richter (Amerika ist das Land der unbegrenzten, auch juristischen Möglichkeiten), der eine Beschlagnahme guthieß, und 6 Mio. Dollar Kunst waren erstmal festgesetzt. Das könnte den Veranlasser noch teuer zu stehen kommen. Bei Gmurzynska sieht man das alles sehr gelassen, und die Anwälte schielen schon auf die Champagnerflaschen. Die Stimmung hat sich, vor allem auch gegenüber dem vergangenen Jahr, wo man noch mit einem blauen Auge davongekommen war, deutlich gebessert. Manche Händler müssen starke Sonnenbrillen tragen, damit niemand die Dollarzeichen in ihren Augen blinken sieht. Und das, obwohl alle übereinstimmend berichten, dass die Geschäfte langsam vonstatte gehen. Aber sie gehen eben. So konnte Gmurzunska gleich zu Beginn zwei halbabstrakte, dekorativ-wilde Bilder eines Künstlers verkaufen, von dem kaum jemand bisher wusste, dass er einer ist. Herr Rambo, also Sylvester Stallone. Er erklärte Ihrer Königlichen Hoheit Princess Michael of Kent seine Werke höchstselbdritt. Zur Eröffnung gaben sich wieder sehr viel prominente Menschen ein Stelldichein, darunter Steve Wynn, Casinobetreiber und Kunstsammler aus Las Vegas, der, wie das Art Newspaper tunlich vermeldete, auch bei Acquavella (New York) gleich um eine Million Grünrücken einen Rosenquist aus dem Jahr 2007 erwarb. Calvin Klein, Elle McPherson und so fort, sie alle wollten die Ware der 265 teilnehmenden Galerien (nur noch knapp unter den gut 280 von Basel) begutachten. Dabei blieb es aber schon zu Beginn nicht. Am ersten Tag der Publikumsöffnung schon berichteten viele Galeristen und Kunsthändler von guten Verkäufen, auch wenn sie weniger im sechs- als im fünfstelligen Bereich stattfanden. Dort wird auf dem Markt ohnehin die meiste Ware bewegt. Wer natürlich wie ein Kunsthändler, der ziemlich laut sprechend über einen Zebrastreifen vor der Messe schritt, sagen muss: "Uns kostet die Messe 500.000 Dollar, wir müssen uns gut überlegen, was wir tun!", dann ist der erste Tag zu solchen Preisen ein Lufthauch, wo ein Sturm not täte. Das wird sich aber schon ausgehen, denn dieses Mega-Event bestimmt - mit mehr als 15 Satelliten-Messen wie der Art Miami, der Pulse, Scope, Nada, Fountain und Aqua (die Bridge hat die Segel gestrichen) - den Kunstterminkalender. Es zeigt sich einmal mehr, dass die Art Basel Miami Beach ein ganz oben angesiedeltes Nobel-Ereignis ist, auf dem ganz junge, experimentelle Kunst eine Art Petersilienfunktion hat, oder zur Kunst dieser Messe steht wie die Smarties zum Muffin: Streue ein paar davon darüber, dann ist das Weichgebäck nicht ganz so langweilig. Bitte nicht falsch verstehen: Es gibt da Großartiges zu sehen (das man sogar kaufen kann). Etwa bei Maxwell Davidson (New York), die eine museale Schau mit beweglichen Skulpturen auf die Beine gestellt haben. hier stehen Arbeiten von Alexander Calder neben solchen von George Rickey und Jesus Rafael Soto u.v.a.m. Oder bei Haas & Fuchs (Berlin), die eine Kabinett-Schau (Sektion "Art Kabinett") mit allerersten Qualitäten von George Grosz bieten. Gerade amerikanische Kunst kann hier auch einfach heiter und gelöst sein. So gefällt eine Serie von Arbeiten, die neben- und untereinander eine komplette Installation ergeben, von John Baldessari. Es sind Bilder mit Buchstaben, arrangiert wie eine "QUERTY"-tastatur. Und neben jedem Buchstaben gibt es das entsprechende Bildchen, bei "Q" einen Q-Tip, bei " G" eine "Gun" (Schiesseisen) und bei "B" halt Brain (Gehirn). Wie in einer Kinderfibel, aber eine für Erwachsene. Der Preis: Nur 135.000 Dollar. Levy (Hamburg) präsentiert sich mit einer Solo-Show von Sir Peter Blake und ist zufrieden: "Hier gibt es unglaubliche Qualität, ein großartiges Publikum und - ich habe einige Sachen gefunden, hinter denen ich schon lange her war. Ich weiß, es wird gut hier." Bei Hans Mayer aus Düsseldorf prangt ein Kienholz-Objekt von 1962, ein Automat, der Püppchen spendet. Aber umwerfend wirkt Robert Longos riesenhaftes Triptychon mit Licht im Wald (s/w-Zeichnung). Das Meisterwerk zeitgenössischer Zeichenkunst kostet 600.000 Dollar. Ernst Hilger (Wien) zeigt Oliver Dorfer, Sarah Rahbar und überraschende neue Arbeiten von Anastasia Khoroshilova. Inszenierte Figurengruppen mit extremer Gestik beschwören das Absurde menschlicher Beziehungen und Kommunikation. Es gibt aber wenig wirklich Neues zu sehen. Die Art Basel Miami Beach ist, wie auch die Mama-Messe in Basel, eine Messe, auf denen man neue Arbeiten bekannter Künstler sehen kann. Eine erfreuliche Ausnahme (wenn natürlich auch nicht die einzige) bildet zum Beispiel das Werk von Ken Price (bei Matthew Marks, London). Er formt Würschtl aus Terrakotta, brennt sie, und bemalt sie in einer Art rundliche sich wiederholendem Damaszener-Muster. Die Bekannten machen meistens das weiter, was man von ihnen kennt. Neo Rauch (Eigen+Art, Leipzig/Berlin) lässt Trümmerfrauen Blumen tragen (eine hoffnungsvolle Botschaft?), Darren Almond ist bei Max Hetzler (Berlin) mit einer seinen Mondlicht-China-Landschaftsfotos vertreten, bei Kicken (Berlin) gibt es einen Parforceritt durch die Fotogeschichte, aber es hat auch noch die eine oder andere Überraschung, denn bei Jack Shainman (New York) stellt Nick Cave (!) seine 2009 entstandenen Mischtechnik-Figurinen (lebensgroß und etwas darüber) dem staunend stehen bleibenden Publikum vor: Bunte Aliens vom Ende des Universums, gekommen um zu erheitern und zu gefallen denen, die reinen Kunstherzens sind. Manches ist so naiv, dass es schon wieder höchst raffiniert wirkt.
Mehr Texte von Gerhard Charles Rump †

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Art Basel Miami Beach 2009
03 - 06.12.2009

Art Basel Miami Beach
Miami, Miami Beach Convention Center
http://www.artbaselmiamibeach.com/go/id/ss/lang/eng/


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