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Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden: Alter Meister

Wie alles, was einmal klein anfing und sich alsbald zu Weltruhm aufschwang, hat auch die Kunstgeschichte eine heroische Phase. Das war die Zeit, als man en masse Meister und Werke bestimmte und dafür auch die Dokumente fand, die die Provenienzen und Zuschreibungen mit der Plausibilität einer historischen Quelle umgaben. Irgendwann war es vorbei mit dem heldenhaften Ans-Tageslicht-Rücken vergangener Wahrheiten. Der Kunstgeschichte waren die Quellen versiegt. Nolens volens konzentrierte sie sich aufs Interpretieren, auf jenes Sichten und Schichten von Deutungen, das sie bis heute - und seit sie Bilderwissenschaft sein will umtriebiger denn je - betreibt. Es gibt noch Restbestände an quellenkritischen Projekten, jenes, das sich Rembrandt verschrieben hat, zum Beispiel, doch das Gros kunsthistorischer Arbeit besteht in der zufälligen Begegnung von Phänomen und Auslegung auf einem Schreibtisch. Galionsfigur dieser Umorientierung ist Erwin Panofsky. Nicht von ungefähr erachtete der Meister sein 1953 erschienenes „Early Netherlandish Painting“ als sein Hauptwerk, und damit sind wir endlich beim Thema. Bei den alten Niederländern speziell kann man nach Herzenslust deuten und deuteln. Genau das macht auch die Ausstellung des Frankfurter Städel, die sich dem Kronzeugen der Ungenauigkeit und des Nichtwissens widmet. Jochen Sander und Stefan Kemperdick haben sie besorgt, die auch die beiden Übersetzer von Panofskys Opus Magnum waren, als es 2001 als opulenter Zweibänder bei DuMont erschienen ist. Allein dass man diese seltsam unhistorsiche Figur Meister von Flémalle nennt, ist eine Festlegung, die durch eigentlich überhaupt nichts gerechtfertigt ist. Bisweilen, zum Beispiel in der aktuellen Monografie von Felix Thürlemann, sieht man ihn deckungsgleich mit Robert Campin, von dem man klein ein wenig mehr weiß, zum Beispiel, dass Rogier van der Weyden bei ihm in Tournai gearbeitet hat. Die Ausstellung versagt sich diese Identifizierung schon deswegen, weil Campin um 1375 geboren ist und zur Zeit der Entstehung seiner großen Bilder ein alter Mann gewesen sein müsste. Das Städel selbst besitzt die Hauptwerke dieses Meisters von Flémalle, das Fragment einer Kreuzigung mit dem bösen Schächer und drei Tafeln mit jeweils einer annähernd lebensgroßen Figur. Naturgemäß liefern sie den Kern der Schau, um den Erhellendes und Erlesenes gruppiert wurde, vor allem der sogenannte „Mérode-Altar“ aus dem Metropolitan Museum und der „Miraflores-Altar“ aus Berlin. Letzterer wird einhellig Rogier zugesprochen, der entsprechend als der zweite titelgebende Heilige der Veranstaltung firmiert. Doch nix Genaues weiß man wirklich nicht. Was in der Ausstellung unter dem Notnamen „Meister von...“ läuft, ist von gelinder Gespaltenheit. Es gibt einen lyrischen, ein wenig dem Sentiment zuneigenden Flemaller, wie er im ersten Raum hängt und geradewegs auf Rogier zuläuft, und es gibt einen zupackenden, kräftigen, einen plastischen Menschenbildner mit den Paradebeispielen des Frankfurter Bestandes. Dieser zweite Flemaller, der allemal attraktivere Arbeiten bereithält, wiese dann eher auf Hugo van der Goes voraus, der im Italien der Renaissance schließlich für Furore sorgte. Durchaus brachial lässt die Schau alles unter einem Notnamen laufen. Der Katalog gibt Aufschluss, dass man selbstverständlich um diese Brachialität weiß. Denken heißt sowieso Komplexität Reduzieren, und so hat man im Städel einfach mal gedacht. Und dabei ein paar Meisterstücke für sich reserviert.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden
21.11.2008 - 01.03.2009

Städel Museum
60596 Frankfurt am Main, Dürerstraße 2
Tel: +49 69 605098-0, Fax: +49 69 605098-111
Email: info@staedelmuseum.de
www.staedelmuseum.de
Öffnungszeiten: Di, Fr - So 10.00 - 18.00, Mi, Do 10.00 - 21.00


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