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Alfons Schilling - Zum 75. Geburtstag: Nicht das Malen, das Sehen neu entdecken

Wer sich eine große Retrospektive des Werkes von Alfons Schilling zum 75.Geburtstag erwartet, wird in der Essl-Ausstellung enttäuscht. Gerade einmal drei Räume sind dem Künstler gewidmet: Ein großer Raum empfängt den Besucher mit den riesigen Stereromonokelbildern, „Autobinäre Stereobilder“ (1984-1986 und 1992/93 ). Sie erinnern an akribisch gemalte Vergrößerungen von meist bunten Lichtbrechungen in einem Prisma. Die orphisch anmutende, kristalline Farbspiele sollen mit beiden Augen durch ein bereitgestelltes Monokel zu betrachtet werden, wodurch ein 3D Effekt entsteht, der die konischen Farbstreifen plastisch gläsern hervortreten lässt.

Ein kleiner Raum gewährt Einblick in Schillings Beschäftigung mit Hologrammen und Linienraster-Photographie mit Überlagerungen von Fotoschichten aus den späten 60igern und Anfang der 70iger Jahre. Eindrucksvoll sind im 1968 entstandenen Bild, „Chicago Demo“ Fotos von Gasmasken mit Peace-Zeichen auf den Helmen, Demonstranten und einem Polizisten sowie Porträts von Jean Genet und William Burroughs so überlagert, dass sie in bewegter Betrachtung (fast) als Film erfahrbar werden. Bei „Iceland II, Brainscape“(1971), bewirkt dieselbe Technik eine Illusion von Eis. „Let me unfocused“ ist mit rotem Stift auf den unteren Glasrand gekritzelt. „Wir jedenfalls leben in einer Zeit, die auf Bewegung aufgebaut ist und auf Simultaneität. Wir stehen nicht mehr wie ein Baum an einem Ort. Wir wollen alles aus der Bewegung sehen. Wenn ich in ein Museum gehe, bin ich laufend in Bewegung.“ erklärte Schilling 1988 in einem Gespräch mit Christian Reder seine Herangehensweise.

Die sechs in Paris entstandenen Rotationsbilder mit über 2 Meter Durchmesser, sind alle außer einem ohne Titel. Das „Andromeda“ benannte, verweist damit auf das Prinzip der Sternentstehung. Die auf die Scheiben geschleuderte Farbe bewegt sich in Rotation weiter. Dabei entstehen aus den Farbflecken, je nach Schnelligkeit der Drehung in der Betrachtung immer wieder neue Bilder, die an die Kreisscheiben von Marcel Duchamp erinnern.

Aufgrund dieser „Action-Painting“-Phase, zu Deutsch „AKTIONSMALEREI“ wird Alfons Schilling mit seiner Forderung nach „TOTALER MALEREI“ nach seiner Ausstellung mit Günther Brus und Otto Muehl (1961) zum Mitbegründer des Wiener Aktionismus. Gleich darauf ging er für 24 Jahre nach New York, weshalb späteres Werk auch ohne Bezug zu dieser Gruppe steht.

In der Ausstellung wird deutlich, dass es Schilling darum ging, wie er sagt, nicht neue Bilder zu erfinden, sondern eine neue Betrachtungsweise, - das Sehen neu zu erfinden. „Raum ist bis jetzt nur ein Gefühl.“ (Schilling, Aufzeichnungen, 1961) Alfons Schilling begreift sich als Künstler, sowie als Forscher im Dialog mit der Wissenschaft. Seine Sehexperimente mit Geräten, die er dafür baut, wie das „Video-head-set“(1973) nehmen, wie Peter Weibel festgestellt hat, die Idee des Cyber-Space visionär vorweg.

In der hauptsächlich aus der Essl- Sammlung bestückten Personale, findet man leider nur ein Foto von Schilling mit einer seiner Sehmaschinen. Somit fehlt bedauerlicherweise der herausragendste Teil im Schaffen von Alfons Schilling fast zur Gänze. Sowie in der gleichzeitig eröffneten Ausstellung von Neuankäufen,“BRANDNEU Ankäufe 2007 - 2008 “ wofür metaphysische und spirituelle Fragestellungen proklamiert werden- das wertvollste Gast-Geschenk (?) von Jonathan Meese, der letztes Jahr „Gott“ an den Himmel des Museums geschrieben hat, fehlt; - es ist inzwischen weiß übertüncht.

Mehr Texte von Renate Quehenberger

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Alfons Schilling - Zum 75. Geburtstag
20.02 - 24.05.2009

Essl Museum
3400 Klosterneuburg, An der Donau-Au 1
Tel: +43-2243-370 50 150
http://www.essl.museum
Öffnungszeiten: geschlossen


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