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Sharon Lockhart: Gewerkschaftskunst

Nach dem Durcheinander, in das die Secession in Organisation und Präsentation geraten ist, konnte sie nichts besseres tun als sich zu konzentrieren, institutionell, personell, konzeptionell. Sharon Lockhart, Jahrgang 1964, Amerikanerin von der Ostküste, die an der Westküste lebt und arbeitet, hat entsprechend das ganze Haus zur Verfügung gestellt bekommen. Ihr Film- und Fotowerk, aufgelockert von Vitrinen und durchsetzt von Dunkelkammern, greift eisern durch. Die Observanz der ordnenden Hand ist schon einmal aller Ehren wert. Die eherne Ordnung ist auch eine moralische. Sharon Lockhart ist eine politische Künstlerin und das nach ureigen tradtioneller Fasson. Wie Menzel ins Eisenwalzwerk oder Emile Zola unter Tage hat sie sich vor Ort begeben, dorthin, wo noch Schweiß und Öl fließen, wo das Proletariat den Mehrwert erwirtschaftet und der Klassenbegriff greift. Ein Jahr lang hat Sharon Lockhart auf einer Werft in Maine Arbeiten übers Arbeiten erstellt, sich vors Werktor postiert, die Korridore und Aufenthaltsräume untersucht und die vom wohligen Schmutzfilm geadelten Gesichter. Zwei Filme und drei Fotoserien sind das Ergebnis der Investigation, nah genug dran am Milieu, um zum sozialen Realismus zu gehören, verfeinert und gediegen dabei, um in der Dokumentation zu dokumentieren, was sich gehört für den kapitalistischen Betrieb der Kunstsammlerei. Eine lange, 80 Minuten umfassende Kamerafahrt beobachtet die Arbeiter bei ihrer Mittagspause. Die Lunchboxen, in denen das Essen aufbewahrt ist, werden in liebevoller Detailnähe abgelichtet. Eine Serviceecke, in der Kaffee und Snacks bereitliegen, findet ebenso eingehende Beschreibung. Schließlich kann man am Werkstor beobachten, wie sich über eine Woche hin die Belegschaft in den Betriebsschluss zerstreut. Ja, tun die denn nichts? Nur fressen, rasten, Feierabend feiern? Das soll Arbeitermilieu sein? Offenbar ist es Arbeitermilieu, und also zeigt Sharon Lockhart die Errungenschaften von 150 Jahren sozialer Kämpfe. Die raue Wirklichkeit, wie sie hier zur Darstellung kommt, steht unter der Kuratel der Sozialdemokratie, und was sich vorzuführen lohnt, sind die Früchte des „Mach mal Pause“. Der soziale Realismus von heute heißt Union Art. Gewerkschaftskunst. War das so gewollt?
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Sharon Lockhart
21.11.2008 - 18.01.2009

Secession
1010 Wien, Friedrichstrasse 12
Tel: +43 1 587 53 07, Fax: +43 1 587 53 07-34
Email: office@secession.at
http://www.secession.at
Öffnungszeiten: Di-So 14-18 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
gut ...
Walter Stach | 16.12.2008 12:48 | antworten
...korrumpiert.

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