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Eroticon: Selbst-Ich-Selbst

In Zeiten des Embodiment, wo man Transvestit sein muss, um über Transvestiten zu schreiben, dürfte dieser Text eigentlich nicht verfasst worden sein. Stammt er doch von einem Mann und geht über Frauen, über nackte Frauen auch noch, und der Unzuchtverdacht ist schnell bei der Hand. Doch vollzieht sich die feminine Ausgezogenheit auf Bildern, und für die Taxierung des Gebotenen reichen auch zwei gesunde Augen. Es ist also festzustellen, dass die Weiblichkeitsquote bei hundert Prozent liegt. Und das in einer Ausstellung. Manfred Lang hat „Erotikon“ zusammengestellt, als Jahresendpräsentation seiner Galerie und dabei durchaus eine Diskussion aufgreifend, die er in ferner Vorzeit hier im „artmagazine“ angestoßen hat. In diesem Sinn ist frauenbewusstseinsmäßig wohl nichts zu beanstanden, und ist dieses Hauptkriterium einmal erfüllt, riskiert sich dann ein Blick auf die Qualität des Ausgestellten. Thema der Schau ist also der weibliche Akt und vor allem der Selbstakt. Paula Modersohn-Becker hat ihn vor hundert Jahren zum ersten Mal versucht, scheu und ein wenig mit Angst vor der eigenen Courage, doch natürlich ging es um das Dementi gegen die „Nimm Mich“-Inszenierungen, mit denen die Männer, die Helden der Avantgarde, das weibliche Konterfei überzogen. Franziska Maderthaner hat diese, nun ja, Tradition am deutlichsten aufgegriffen, indem sie sich in die Posen und Pornogesten eingerückt hat, die Egon Schiele einst ersann. Die Künstlerin aquarelliert sich also in der Verfügbarkeit und gleichsam feuchten Erwartung, die Schiele einst so verstand, als seien sie auf ihn bezogen. Bei Franziska Maderthaner sind sie nun auf sich bezogen, an die Stelle des Ich tritt das Selbst, doch ist dieses Selbst, schließlich ist sie die Autorin, wieder das Ich. Eine ganz raffinierte Mise-en-scène, die einen zusätzlichen Kommentar darin findet, dass auf diesen vier Blättern auch ein Mann zu Wort kommt, ein männliches Wesen zumindest, der zwölfjährige Sohn, der passend-aberwitzige Comic-Fragmente hinzufügt. Gudrun Kampl und Eva Schlegel, Angelika Krinzinger und Petra Maitz und ein knappes Dutzend weitere Künstlerinnen lassen sich nun beim Beobachten des weiblichen und bisweilen des eigenen Körpers beobachten. Langs Präsentationen trumpfen nie auf und wissen um die Beschränktheit der Ressourcen. Dies tut keinen Abbruch, dass sie erhellend sind.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Eroticon
21.11 - 23.12.2008

Galerie Lang Wien
1010 Wien, Seilerstätte 16
Tel: +43 (0)676 3353 641
Email: glw@glw.at
http://www.galerielangwien.at
Öffnungszeiten: geschlossen


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