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Kulturkrise

Österreich, so ist aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen durchgesickert, ist pleite. Bankrott mindestens wie Island oder Ungarn. Man musste ja schon ein wenig ins Grübeln kommen angesichts der hundert Milliarden Staatsbürgschaft, die doch ein Erkleckliches mehr darstellen als das, was die Volkswirtschaften in den großen Ländern anbieten. Österreichs Wirtschaft hatte ihr Geld in den Osten verliehen. Auf einmal ist keins mehr da. Mit der schlechten Nachricht im Ohr konnte man die Verschärfung der Krise auch der Vernissagenansprache entnehmen, die der Nochbundeskanzler am letzten Donnerstag zu einer antikapitalistischen Brandrede ausbaute. Gusenbauers Philippika im Mumok überwand spielend den gut kulturellen Anlass einer Ausstellung von Peter Kogler und nahm dessen Ratten und Röhren ganz buchstäblich zu Trägern der finanziellen Zustände. Nun kann Gusenbauer völlig ungeniert vom Leder ziehen, gewählt wird er nicht mehr werden. Doch dass dem schlechtesten Kanzler eine derart gute Rede entschlüpfen würde, war keinesfalls abzusehen. Womöglich hat eine solche Qualität ja ihre Gründe. Die Finanzkrise. Einer der Betroffenen, und zwar der aktiv Betroffenen, vulgo der Verantwortlichen, hat es für opportun gehalten, die Banker von heute mit den Juden von 1930 in eine Schublade zu stecken. Beide, so gab er zu Protokoll, wären zu Sündenböcken gestempelt. Entschuldigen hat er sich müssen für die seltsame Parallele, doch im Vergleich zu den Dreissigern tritt schon ein Stück Wahrheit zutage. Die Beflissenheit, mit der eine dummdreiste Programmatik durchexerziert worden ist, erinnert tatsächlich an die schlimmsten Tage des Totalitarismus. Allerdings an die Adepten der Regime und nicht an ihre Opfer. Immerhin war bei den Hitlerjungen oder den Komsomolzen jeweils Zwang im Spiel. Die Kapitalisten von heute dagegen ziehen ihre Ideologie in nichts als Freiwilligkeit durch. Selbstverständlich ist die Finanzkrise eine Kulturkrise. Das Wort steht auf dem Index, es gilt als Ausweis rechter Gesinnung, als reaktionäres Diktum für die Dekadenz der Welt. Links dagegen ist, wer an die Perfektibilität appelliert, an die Verbesserung des Menschen durch Erziehung und stetes Wachstum der Ressourcen. Wieder einmal zeigt sich die Unmöglichkeit, links und rechts heute dingfest zu machen. Denn wie es aussieht, hat auch die Idee der Verbesserung insgesamt völlig versagt. Perfektibilität selbst hat sich als nichts anderes herausgestellt denn als kapitalistischer Wahnwitz. Eine weitere Idee, die das Geld pervertiert hat.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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