Gesche Heumann,
Georges Braque: Der Zweite am Seil
Malerei kann bis heute als eine spezifisch systematische Gestaltungsweise für eine schöne Oberfläche gelten, und neben den zahlreichen berühmten Namen, die mit dem spezifisch eleganten, diskreten Auftritt dieser Kunst verknüpft sind, hat sich auch, der langen Zeitspanne halber, in der nun schon gemalt wird, eine äquivalent langatmige Geschichtsschreibung etabliert, die zwei Revolutionen in der Malerei unbedingt anerkennt – die Einführung der Perspektive während der Renaissance und, nach deren 500jährigem konventionell gepflegtem Brauchtum, die Einführung der kubistischen Perspektive. Kubismus als Zersplitterung eines einheitlichen Standpunkts auf das bildliche Geschehen ist im gegenwärtigen Zeitalter, indem Pakete gegen Krisen geschnürt werden, vielleicht nicht so erheiternd. Drum kann man sich wundern, wenn man den Besuch der Braque-Ausstellung im BA-Kunstforum gern als gehirnlockerndes Quasi-Spa-Erlebnis verbuchen will.
Georges Braque nannte die intensive Arbeitsbeziehung zu Picasso, im Verlauf derer die kubistische Perspektive entwickelt wurde, selbst "ein wenig wie eine Seilschaft in den Bergen". In der Öffentlichkeit wurde lange Picasso als der eigentliche Gipfelstürmer wahrgenommen, auch im Hinblick auf die Zunutzemachung verschiedener Materialebenen mithilfe der Collage. Braque allerdings, dessen Vater Dekorationsmaler war, dürfte als erster die Idee gehabt haben, eine holzgemaserte Tapete in ein Bild einzukleben, um eine materialistische Bezugsebene ohne illusionistische Abbildung herzustellen. Die Freundschaft scheint den Ruhm des einen und die Bescheidenheit des anderen verkraftet zu haben.
Das Ouevre entfaltet sich bemüht popfarben unterlegt. Braque ist demgegenüber ein zurückhaltender Kolorist. Viele Bilder entstehen auf dunklen Malgründen; Rot sind allenfalls die Lichter. Das vorherrschende Sujet, abgesehen von der fauvistischen Phase, ist das Stilleben, deren überschaubares Arrangement Braque ermöglichte, den Raum aus mehreren Standpunkten darzustellen. Obwohl den Bildern teilweise eine Menge an verwertetem Material anzusehen ist, wirkt die Pinselschrift nie kleinmütig oder angespannt. Mehrjährige Arbeitsprozesse erscheinen leicht und wie beiläufig beendet. Nirgendwo wird augenscheinlich, daß Braque zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise überlebte und weiter malte – aber überall ist sichtbar, daß Sehen reich macht. Wer hat denn schon mal einen Krug gesehen, der aussah wie eine rote Pfütze?
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Georges Braque
14.11.2008 - 01.03.2009
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