Rainer Metzger,
Édouard Vuillard: Prädikat delikat
Alle gerade um die 20, kurz nachdem sie in einer Parallelhochschule namens Académie Julian Bekanntschaft gemacht hatten, erhoben sich Paul Sérusier, Pierre Bonnard, Maurice Denis und Edouard Vuillard im Jahr 1888 zur Künstlergruppe. Im Namen war die gemeinsame, gewissermaßen postnazarenische Identität auf den Punkt gebracht: „Nabis“, nach dem hebräischen Wort für „Prophet“. Anders als die Impressionisten, in deren Begriff die künstlerische Methode benannt war, identifizierten sich die Nabis mit einer künstlerischen Rolle. Sie gaben sich als Eingeweihte, als Seher, als speziell Initiierte. Die Zeiten hatten sich geändert, die Licht- und Luftmalerei des Pleinair war dem Symbolismus gewichen und der selbstverständliche Aufenthalt vor dem alltäglichen Motiv gewissen Prätentionen, Verschrobenheiten und der Betonung darauf, dass man als Künstler das Medium von Botschaften sei.
Schlüssig erklärt und berühmt gemacht worden ist die Programmatik der Nabis von Maurice Denis. Im August 1890 hatte er die Formulierung gefunden, es gelte, „sich zu erinnern, dass ein Gemälde, bevor es ein Schlachtross, eine nackte Frau oder irgendeine Anekdote darstellt, nichts anderes ist als eine plane Oberfläche, angefüllt mit Farben, die nach einer gewissen Ordnung verteilt sind.“ Die pure Erscheinung von Farbe auf Grund, das war die Botschaft: Daraus wird das 20. Jahrhundert dann seine große ästhetische Theorie spinnen. Bei den Nabis ist es noch nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Arbeitshypothese.
In Anbetracht einer solchen Konzentration auf Material und Medium nimmt es nicht wunder, dass die Nabis gerade der Lithografie, dem Flachdruck schlechthin, neue Facetten abgewannen. Sie steht auch im Mittelpunkt der kleinen, feinen Schau in der Karlsruher Kunsthalle, die Vuillard ins Visier nimmt, aber die Kollegen nicht vergisst. Das Nebeneinander in sich völlig autonomer Partien reiner Farbe wird zur Essenz der Blätter, und wie Denis es verfügte, erschließt sich erst auf den zweiten Blick, was dargestellt ist, meist ohnedies Interieur oder (Stadt-)Landschaft. Im Wechsel von punktuell und flächenhaft aufgetragenen Tranchen, im Oszillieren von glattem Überzug und vegetabilischem Wuchern, in der Interferenz von Sichtbarkeit und Ahnung ist Vuillard ganz bei sich. Wenn das Wort heute noch gilt, dann hier: diese Kunst ist delikat.
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Édouard Vuillard
18.10.2008 - 25.01.2009
Staatliche Kunsthalle Karlsruhe
76133 Karlsruhe, Hans-Thoma-Straße 2-6
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