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Thomas Bayrle: Mikro-Makro-Massen

Auf den ersten Blick sieht das Relief aus wie das Modell einer Stadt. An den Seiten: Flachbau, Einfamilienhäuschen, mit viel Garten. In die Mitte zu: höher werdend, irgendwo dann wie Midtown Manhattan. Allerdings irritiert die Stadtplanung ein bisschen: neben den schachtelförmigen Hochhäusern stehen utopisch anmutende, gewagte Entwürfe mit in weiten Plattformen steckenden Bauteilen. In Wirklichkeit ist das Stadtmodell das Gesicht von Philip Johnson: Thomas Bayrle hat eine Fotografie grob gerastert und so in ein Relief übersetzt. Die Nasenspitze wird so zum Empire State Building, winzige Pixel zu riesigen Wolkenkratzern - zumindest in unserer Vorstellung, die das Modell wiederum ins Riesenhafte vergrößert. Bayrle geht es dabei um die Organisation von Massen: der Masse der kleinen Pünktchen stellt er die Masse der Stadtbewohner, der Gebäude, der urbanen Struktur überhaupt gegenüber, Mikro wird zu Makro - strukturiert vom für die Moderne paradigmatischen Raster. Fasziniert scheint Bayrle in diesem Zusammenhang auch von Schleifen und Autobahnen zu sein: diese bildet er nach in miteinander verflochtenen Kartonstreifen, mal in Form eines Maschendrahtzauns, dann wieder als Bildobjekt, angelehnt an Mondrians Neoplastizismus. Das Wandobjekt \"Informationsklumpen\" demonstriert die Verbindungen von staatlichen Massenorganisationsmaßnahmen: \"Sozialfürsorge\" oder \"Bildungsgeflächt\" steht auf Wellpappenstreifen orthographisch nicht ganz einwandfrei in krakeliger Schrift. Beim ähnlich hergestellten Objekt Otto Rössler, das aus Kartonautobahnen geflochten ist, werden naturwissenschaftliche Begriffe mit philosophischen verknüpft: vom \"cartesischen Projekt der Weltveränderung\" ist hier die Rede oder von Oszillatoren und Elektronen. Während das Holz Relief Stadt (Philip Johnson) ästhetisch und inhaltlich schlüssig ist, bleibt die Bedeutung der anderen Objekte für Nichtnaturwissenschafterinnen etwas im Dunkeln. Und dass sich auf der Autobahn die Massen tummeln - für diese Erkenntnis braucht man nur zu Ferienbeginn versuchen, von Wien Richtung Süden zu fahren...
Mehr Texte von Nina Schedlmayer

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Thomas Bayrle
05.04 - 05.05.2002

Grazer Kunstverein
8010 Graz, Palais Trauttmansdorff, Burggasse 4
Tel: + 43 316 83 41 41, Fax: + 43 316 83 41 42
Email: office@grazerkunstverein.org
https://www.grazerkunstverein.org/
Öffnungszeiten: Mi-Fr 11-18 h


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