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11. Architekturbiennale Venedig: Globales Flimmern

„Out There. Architecture Beyond Building“: unter dieses Motto stellte Aaron Betsky die heurige Architekturbiennale in Venedig. „Architektur ist nicht Bauen. Architektur muss darüber hinausgehen. Gebäude sind große und verschwenderische Ansammlungen natürlicher Ressourcen, Architektur aber gestaltet das wertvollste und luxuriöseste Phänomen der Welt: Raum.“ Bühne frei also für Visionen, Konzepte, Träume und Weltentwürfe aller Art. Die Ausstellung im Arsenale besteht aus 23 Installationen, als ideologischen Unterbau gibt es dazu Manifeste in Wort und Ton. Die Stars der Szene ließen sich nicht lange bitten. Wie am Laufsteg präsentieren sich hier unterschiedlich gestimmte, durchgestylte Raumsequenzen, die zwischen Kunst, Fiktion und Architektur oszillieren. Den Einstiegskorridor bildet die „Hall of Fragments“ von David Rockwell, Casey Jones und Reed Kroloff. Zu elektronischer Musik firmieren sich hier geometrische Formen auf zwei weich gewölbten Leinwänden zum filmischen Illusionsraum. Ihre Mitte bildet einen Gang, vor den Rückseiten der Screens flimmern Science-Fiction und Anime-Sequenzen über unzählige Bildschirme. Auf weichen Sitzen versinkt man in dieser Gegenwelt. Drei futuristische Prototypen zur Behausung des Unterbewusstseins hüllte Asymptote Architecture in ihr charakteristisches Formenrepertoire. An Te Liu befreite 10.000 Luftreinigungsfilter aus der Enge der Installationsschächte und schlichtete sie zu einem technoiden Wolkengebilde zusammen. Reanimiert vom Herzschlag der Besucher, feiert der Feedback-Space von Coop-Himmelb(l)au aus den frühen 70ern seine Auferstehung. Zaha Hadid schwelgt in lotusinspirierten, gelben Designstücken, die man nicht berühren darf. Dafür ist das fließende Raumband von UN Studio mit seinen kantenlosen Rundungen, in farbige Projektionen getauchten Wänden, Deckenspalten, Schlaufen und Windungen umso lustvoller zu begehen, besetzen und begreifen. Aus computeraffinen Plastikbauteilen kreiert Vincente Guallart ein befremdliches, häusliches High-Tech-Szenario, das auf Kabeln von roten Kreuzen baumelt. Für Droog Design & Kesselskramer liegt die Zukunft in der S1NGLETOWN: ein exemplarisches Umfeld für die Typologie der Spezies Einzelgänger, deren Traum vom Glück darin gipfelt, sich selbst zu heiraten. Brave New World. Das Atelier Bow Wow bündelt alle Wohnfunktionen in ein Furnivehicle. Schicke Wägen, die einen Zug bilden können oder sich einzeln abkoppeln lassen. Frank O. Gehry, der für sein Lebenswerk mit dem goldenen Löwen geehrt wurde, entwarf ein Holzgerüst auf, das sehr archaisch wirkt und doch klar seine Handschrift trägt. Laufend wird die Tragstruktur mit Tafeln aus Ton verkleidet, der an der Luft trocknet und Risse bildet. So drückt die Zeit der Skulptur ihren Stempel auf und verändert den Raum. Ökologisch-nachhaltige, soziokulturelle und gesellschaftspolitische Aspekte der Architektur streift diese Schau nur am Rand. Exzessiv aber huldigt sie dem Kernthema der Disziplin: wie sich Raum gestalten lässt. Es macht Spaß, in diesen Kosmos aus Installationen einzutauchen. Das ist nicht das schlechteste, was man von einer Ausstellung sagen kann.
Mehr Texte von Isabella Marboe

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11. Architekturbiennale Venedig
14.09 - 23.11.2008

La Biennale di Venezia - Arsenale & Giardini
30122 Venezia,
http://www.labiennale.org
Öffnungszeiten: täglich 11 - 19 h, Fr, Sa bis 20 h,
Montag geschlossen außer 25/07, 15/08, 5/09, 19/09, 31/10, 21/11


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