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Bernhard Fruehwirth - Erdgeschoss: Denn das Leben lebt

Die Aufschrift „ERDGESCHOSSSNUFFBOX“ bildet eine Art Branding für Bernhard Fruehwirths installative Schriftintervention im Eingangsbereich der unlängst vom Straßenlokal zum White Cube umgebauten Galerie Mezzanin. Ins Auge sticht sie bereits von Außen im Vorbeilaufen. In der Manier eines Firmenlogos jongliert Bernhard Fruehwirth durch dieser deutsch-englische Begriffsverschränkung mit den boxartigen, räumlichen Bedingungen vor Ort und mit Anspielungen auf ein brutales Genre des Porno- und Spielfilms - dem „Snuff-Film“. Konkret bezieht sich der englische Ausdruck „Snuff“ auf die filmische Aufzeichnung eines Mordes. Abgeleitet wurde „Snuff “vom argentinischen Horrorfilm „El Ángel de la muerte“, der 1976 unter dem Titel „Snuff“ in den USA kommerziell vertrieben wurde. Als Marketingstrategie brachte man das Gerücht in Umlauf, dass während des Drehs eine der Hauptdarstellerinnen vor laufender Kamera ermordet wurde. Wie für Werbestrategien Stories, welche eine Unterscheidung zwischen Realität und Inszenierung erschweren, skrupellos konstruiert werden, bildet einen Zugang zu „ERDGESCHOSSSNUFFBOX“, ein weiterer bezieht sich auf das boxartige in den Halbstock eingebaute Büro der Galerie. Bernhard Fruehwirths Installation gestaltet sich zwar offen für unterschiedliche Lese- und Interpretationsarten, lotet allerdings gleichzeitig kalkuliert deren Handlungsspielräume aus. Spiegelplatten auf dem Boden im Hauptraum sorgen für die spiegelverkehrte Verdoppelung eines schwarz gekreuzten X mit der Aufschrift „REFUSE TO WORK AFTER DEATH“, dessen Querbalken die Phrase „HANDMADE DEATH“ zeigen. Das X ist in Form des Andreaskreuzes gestaltet, der Urform des Kreuzes, das als nationales und politisches Symbol des Union Jack bekannt ist, das allerdings auch als Gefahrensymbol zum Einsatz gelangt. Prinzipien der Konstruktion geraten als psychologisierende Sprachkörper zur Metapher für den künstlerischen Topos, unterschiedliche soziale, institutionelle und politischer Realitäten miteinander zu verschränken. Prekäre Situationen des Überlebens werden durch Embleme und Zeichen übersetzt, die sich kontrapunktisch auf unsere Raumerfahrung vor Ort auswirken. Markant bleibt das Spannungsverhältnis zwischen Konzept und Bild, Index und Symbol bestehen. Der nächste politisierende Blickfang zielt auf die amerikanische Flagge als nationales und imperialistisches Icon. Es ist der amerikanisch gefärbte, beschränkte Blick westlicher Kulturen, dessen Legitimierung von Ausgrenzungsmechanismen, den Bernhard Fruehwirth hier kritisch aufgreift. Eine gekonnte Persiflage der Sterne der amerikanischen Flagge lässt diese zu flimmernden Sternschnuppen werden, die vor schwarzem Hintergrund sich aufzulösen scheinen. An die Galeriewand affichiert sind reproduzierte Kombinationen von Zeichnungen mit Gitterstrukturen, deren Motive sich wiederholen und die in ihrer Helligkeit nuancieren. Zerrissen und neu collagiert bilden sie Gitterformationen, deren konzeptueller Ansatz sich damit befasst, wie selbst im Tun des immerselben durch minimale Abweichungen in Größe und Format neue Referenzmuster entstehen. Wiederkehrende Fragen zu Original, Autorenschaft, Reproduktion und Kopie erfahren durch den künstlerischen Eingriff eine Neudefinition und Umcodierung. Gitter als Elemente der Kunstgeschichte, des Minimalismus werden mit neuen Inhalten gefüllt. Immer dasselbe neu zu interpretieren, bewirkt eine Referenzialität, die an On Kawaras Manier der Zeitnotationen in dessen „Date Paintings“ erinnert. Gitter als Grundmuster der Zeichnung sind als Band über die Wand gezogen, sodass eine Dehnung und Ausbuchtung eintritt und durch die serielle Hängung ein Raumkörper mit emotionalem Tenor produziert wird. Die scheinbar selbstverständliche Zusammengehörigkeit von Kunst und Galerie schärft hier eine Aufmerksamkeit gegenüber politischen und sozialen Anliegen, indem Ästhetisches, Psychologisches und Politisches miteinander in Austausch treten.
Mehr Texte von Ursula Maria Probst

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Bernhard Fruehwirth - Erdgeschoss
17.09.2008 - 10.01.2009

Galerie mezzanin
1010 Wien, Getreidemarkt 14/Ecke Eschenbachgasse
Tel: +43 (0) 1 526 43 56, Fax: +43 (0) 1 526 91 87
Email: mezzanin@chello.at
http://www.mezzaningallery.com
Öffnungszeiten: geschlossen


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