Werbung
,

Mladen Stilinovic: Es ist was faul.

Wenn, wie in der unteren Halle affichiert, das Geld der Ursprung allen Übels ist, befindet man sich hier in einem Hort des Bösen. Aber Mladen Stilinovic hat in der aus Banknoten und Münzen gefertigten Installation „Money Environment“ und mit dem Werkkomplex „Über Geld und Nullen“ auch andere Glaubenssätze parat: Das üblicherweise auf Dollarnoten gedruckte „In God we trust“ zum Beispiel - solange nur die Werte nicht zum Teufel gehen, wie es der mit Titos Konterfei verzierten 5000-Dinar-Note im postjugoslawischen Wirtschafts-Fiasko passiert ist. Die internationale Finanzkrise verleiht diesem Ausstellungsteil eine gewisse Aktualität, zumal Stilinovic mit Leidenschaft Nullen von Nullen substrahiert. Dennoch werfen die Arbeiten des 1947 geborenen Kroaten über das Geld als Symbol für Macht und Ohnmacht nur ein Streiflicht auf sein vielschichtiges Werk. Stilinovic, dem hier seine erste und längst fällige Einzelausstellung in einer österreichischen Kunstinstitution gewidmet wird, war in den Siebzigern Teil der Künstlergruppe „Sestorice Autora“ und hinterfragt das sozialistische wie postsozialistische System in vielerlei Hinsicht. Die Fotoserie „Umjetnik radi / Der Künstler bei der Arbeit“ zeigt den mit seinem ausladenden Schnauzbart reichlich skurril wirkenden Stilinovic im Schlaf, unterm Hammer, dabei, wie er einfach Künstler ist. Das „Faulenzen“ als Bedingung geistiger Arbeit entsprach so gar nicht dem ideologisierten Arbeitsbegriff des Sozialismus, aber im Manifest „The Praise of Laziness“ kommt auch die den Anforderungen des Marktes unterworfene Power-Produktivität westlicher Künstler nicht gut weg. Ein Zwischenreich also, das Stilinovic virtuos und vielfach aus ironischer Distanz betrachtet: Die Fotoserie „Erster Mai 1975“ zeigt das stereotype Alltagsdesign der Tito-Ära und wird durch die gegenseitige Liebeserklärung Stilinovics und seiner Frau, der Kuratorin Branka Stipancic, gebrochen („Ado liebt Stipa“, als Banner um einen Baum gewickelt und über einen Straßenzug gespannt). Ein anderes Thema ist die Instrumentalisierung der osteuropäischen Avantgarde durch den Sozialismus: Der Werkkomplex „Die Ausbeutung der Toten“ unterwandert die kommunistischen Symbolfarben Rot und Schwarz und stellt dem System nicht zuletzt Schlagworte wie „Mehrwert“, „Profit“ und „Tauschwert“ gegenüber. Aus der aktuellen sozialpolitischen Misere seiner Heimat speisen sich Stilinovics neueste Arbeiten, etwa die Installation „Bag People“: In einem Vorort von Zagreb hat der Künstler Menschen fotografiert, die ihre Habseligkeiten in Plastiksäcken zum Verkauf tragen, auf der Rückseite der Fotoprints zeugen Zeitungsartikel von der wirtschaftlichen Instabilität des Landes. Die aus beschrifteten Kartons bestehende Installation „Zur öffentlichen Debatte stellen“ wartet mit Stehsätzen des jugoslawischen Regimes auf - und am Ende ist man doch wieder beim Geld angelangt: In „Pjevaj“ (Sing!) klebt dem Künstler ein Geldschein an der Stirn, eine Geste, mit der vor allem in Osteuropa Musiker zum Weiterspielen aufgefordert werden. Die ironische Selbstsicht auf die Position des Künstlers und seine feine Poesie sind vor allem aus Stilinovics Künstlerbüchern ersichtlich, die im Leseraum der Galerie gezeigt werden. „Great Show“ kündigt ein Frosch im Eingang platzierten Video quakend an: Da hat er recht.
Mehr Texte von Ivona Jelčić

Werbung
Werbung
Werbung

Gratis aber wertvoll!
Ihnen ist eine unabhängige, engagierte Kunstkritik etwas wert? Dann unterstützen Sie das artmagazine mit einem Betrag Ihrer Wahl. Egal ob einmalig oder regelmäßig, Ihren Beitrag verwenden wir zum Ausbau der Redaktion, um noch umfangreicher über Ausstellungen und die Kunstszene zu berichten.
Kunst braucht Kritik!
Ja ich will

Werbung
Werbung
Werbung
Werbung

Mladen Stilinovic
17.09 - 02.11.2008

Taxispalais Kunsthalle Tirol
6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 45
Tel: +43 512 594 89 401
Email: info@taxispalais.at
http://www.taxispalais.art
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr


Ihre Meinung

Noch kein Posting in diesem Forum

Das artmagazine bietet allen LeserInnen die Möglichkeit, ihre Meinung zu Artikeln, Ausstellungen und Themen abzugeben. Das artmagazine übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der abgegebenen Meinungen, behält sich aber vor, Beiträge die gegen geltendes Recht verstoßen oder grob unsachlich oder moralisch bedenklich sind, nach eigenem Ermessen zu löschen.

© 2000 - 2024 artmagazine Kunst-Informationsgesellschaft m.b.H.

Bezahlte Anzeige
Bezahlte Anzeige
Gefördert durch: