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Peter Kogler: Der topologische Monolith und seine Bewohner

Diese Retrospektive macht die Evolution von Peter Koglers Werk analog zur Entwicklung der technischen Möglichkeiten, anschaulich: 1981 zeichnet er eine Reihe von Ratten als weiße Schatten mit filmkaderförmig schattierten Tuschehintergrund auf einen leeren Bilderrahmen aus Karton - 2008 laufen dieselben Ratten als digitale Projektion über den schwarzen Monolithen des MUMOK. In Peter Koglers Frühwerk dominieren Kohlezeichnungen und leichte Skulpturen aus Karton. Anthropomorphe Skulpturen sind zusammengesetzt aus kleinen Kartonkuben oder 3-Ecken. Der Mensch ist mit dem Raum, in seiner gebauten Form, als rote Ziegelmauer mit ins Dach geschnittenen schwarzen Schattenmenschen verschmolzen. Das langgestreckte 5-Eck-Giebelhaus deutet schon die eindimensionale Bewegungs-Richtung an. Die expressionistische Film-Architektur von Fritz Lang und Sergej Eisenstein, - "Das Kabinett des Dr.Caligari" (Robert Wiene) und "Der letzte Mann" (F.W.Murnau), inspirieren ihn dazu. Mit dem seriellen und oft patternhaften Charakter dieser frühen Arbeiten, scheint Kogler nur auf den Wechsel von Kohle zu Silizium, gewartet zu haben. Die neuen digitalen Medien, ab Mitte der 80-iger Jahre, ermöglichen ihm erst die computergenerierten Muster mit den leicht wiedererkennbaren Sujets: Rohre, Hirnwindungen, Ameisen und morphologische Strukturen überziehen ganze Ausstellungsräume. Bald wandelt sich Koglers ursprüngliche Inspirationsquelle zur eigenen Mitwirkung in der zeitgenössischen Architektur. Auf öffentlichen Bauten erzeugt er plakativ den architekturumspannenden Film im Realen. Sie verhelfen dem Bauwerk zum expressiven "Schrei" dem „dernier cri“, von Nietzsches „letzem Menschen“, dem sich niemand mehr entziehen kann. Eine Ameise ist ihm einmal über die Zeitung gelaufen... Peter Kogler macht sie zur Ikone des Bewusstseins der eindimensionalen Fortbewegung in einem verschlungenen Raum der immer flach ist;- so flach wie der Ricci-Term in der Einstein‘schen Raumauffassung, die dazu geführt hat, die Höherdimensionalität im Dreidimensionalen zu suchen. Koglers erste Computeranimation, "ohne Titel", 1993, ist eine Kamerafahrt durch ein Loch. Die Netzstruktur von Rauchschwaden, seiner neuesten computergenerierten „Tapeten“, erscheint konsekutiv logisch, indem sie die mathematischen Strukturen der höherdimensionalen Innenräume des Calabi-Yau- Mannigfaltigkeit* der Mathematiker, - eben jenes komplex verschlungene Loch, begehbar macht. Koglers virtuelle Raumgestaltung findet in einer rundum projizierten Computeranimation von bewegten Gitterstrukturen, die sich verdichten, weich werden, verflüssigen und zuletzt in Schlieren auflösen, - unterstützt durch die dramaturgisch akzentuierende Musik von Franz Pomassl - ihren vorläufigen Höhepunkt. Kogler veranschaulicht, wie kaum ein anderer Künstler, die herrschende Weltauffassung, die Peter Sloterdijk als „Innen- und Außenwelt des Schaums“ beschreibt. Peter Kogler repräsentiert die Pop Art der Topologie. Die weißen Labor-Ratten im Labyrinth sind zu Ameisen geworden, die kein oben und unten kennen,- wie die topologische Architektur orientierungslose Gebäude hervorbringt, bei der man den Eingang nicht mehr findet. Man kann Peter Kogler‘s Werk nicht mögen, weil man diese Welt nicht mag, nichtsdestotrotz führt er uns die Eindimensionalität mit einer Monumentalität vor Augen, für die man ihm dankbar sein kann.
Mehr Texte von Renate Quehenberger

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Peter Kogler
31.10.2008 - 01.02.2009

mumok - Museum moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien
1070 Wien, Museumsquartier, Museumsplatz 1
Tel: +43 1 52 500, Fax: +43 1 52 500 13 00
Email: info@mumok.at
http://www.mumok.at
Öffnungszeiten: Täglich: 10.00–18.00 Uhr, Do: 10.00–21.00 Uhr


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