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Knappe Zeit und lange Dauer

Dass Zeit Geld ist, stammt als Einsicht von Benjamin Franklin. Mit ihr konnte man amerikanischer Politker werden, vor allem aber Kapitalist. Knappe Zeit ist so etwas wie das Markenzeichen einer ausgeprägten Ökonomie geworden, und gerade auch dem Typus Kunstsammler sitzt Chronos im Nacken. Weil es gar so eng zugeht mit den Ressourcen an Stunden und Sekunden bauen sie jetzt in ihre Spekulationsobjekte die Präsentationsräume für Kunst gleich mit hinein. Früher, zu den seligen Zeiten der Gentrification, ließ man die Kulturfuzzis in die abgehalfterten Lofts, ließ sie ihre Ateliers installieren, die Galerien anlocken, die PR-Büros, die Desginer und dann die Rechtsanwälte, und wenn die angestammte Bevölkerung sich die Wohnlage nicht mehr leisten konnte, hatte das Gute, Wahre, Schöne den Zweck erfüllt. Heute dauert das alles viel zu lang, und die Kunst besetzt das Luxusareal im Gleichschritt mit all den anderen Heerscharen der Globalisierung. Zeit wird es, dass die Öffentlichkeit sich das nicht mehr gefallen lässt. Dass sie ihr spezielles Gegengift auspackt, und das heisst Longue Durée, lange Dauer. Der Kompetenzbereich der Öffentlichkeit in kulturellen Dingen ist die Kanonisierung, ist der Mechanismus, dank dessen Bilder Kunst werden. Nur weil es eine Öffentlichkeit gibt, eine Debatte, eine Reflexion, wird das Zeug, mit dem Schacher getrieben wird, zum Gut. Instanz der Öffentlichkeit in Sachen Kunst ist das Museum. Wie wäre es also, wenn die Museen aus ihrer Not eine Tugend machten und sich ausklinkten aus den Geschäften mit den Bildern? Sich ausklinkten aus der Spekulation mit Gegenwartskunst, indem sie sich aller Käufe enthielten. Das würde dem Kunstmarkt zusetzen, nicht weil es weniger Nachfrage gäbe. Es würde dem ökonomischen Wert zusetzen, weil es den symbolischen Wert in Frage stellte. Dieser symbolische Wert ist das einzige, was der Kapitalismus nicht aus sich heraus herstellen kann. Womöglich würden die Dinge, die man interessehalber Werke nennt, dann tatsächlich billiger. Die Sammler müssten mit Schenkungen reagieren, um die Proportionen wieder herzustellen: Kunst ist es immer noch dann, wenn es im Museum ist. Was würde der Betrieb verlieren? Wenig. Ausstellungsfrequenzen würden geringer, überkommene Institutionen, zum Beispiel Kunstvereine, endgültig in den Ruhestand versetzt. Das Übergewicht der Museen gegenüber Kunsthallen, ohnedies eklatant durch die Blockbuster, die sich nur noch potente Kollektionen leisten können, würde verstärkt. Das wenige Geld, das an die junge Kunst geht, würde noch weniger. Was wäre der Gewinn? Der Wert gegenüber dem Preis.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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