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K08: Emanzipation und Konfrontation - Kunst aus Kärnten von 1945 bis heute: Standort im Süden

Dass Kultur-Events nicht zentralistisch an einem einzigen Ort stattfinden müssen, sondern programmatisch mehrere Standorte einer Region miteinbeziehen, scheint momentan ziemlich en vogue zu sein. International demonstriert dieses Format in diesem Sommer die Manifesta 7 mit vier Schauplätzen entlang einer 330 Kilometer langen Nord-Süd-Achse in der Region Trentino-Südtirol. In Österreich verfolgen Bundesländer-Events wie das niederösterreichische „Viertel-Festival“ und das oberösterreichische „Festival der Regionen“ diese Praxis seit mehreren Jahren. Und auch die 2008 neu hinzugekommene steirische „regionale08“ verzeichnet auf ihrer Landkarte gut zwei Dutzend Standorte östlich von Graz für 35 Events. „K08. Emanzipation und Konfrontation“ – die erste umfassende Ausstellung über „Kunst aus Kärnten 1945 bis heute“ – hat auf den ersten Blick eine ähnliche Anmutung. Hinter dieser neuen Formatvorliebe stecken nicht nur strategische, sondern auch kulturpolitische Überlegungen. In der einen oder anderen Form schimmert da auch das Bestreben nach kultureller Selbstrepräsentation der jeweiligen Region durch. Speziell im Fall des Kärntner Projekts nimmt es – zumindest auf den ersten Blick – manch Beobacher wunder, dass im Haider-Land eine derartig breite Plattform samt Bereitstellung eines entsprechenden Budgets für zeitgenössische, dem Volks- und Brauchtum nicht verbundene Kunst überhaupt möglich ist – ebendort, wo vor zehn Jahren noch der Landeshauptmann höchstpersönlich gegen zeitgenössische Kunst zu Felde gezogen war, anlässlich der geplanten Neugestaltung des Kolig-Saals im Kärntner Landtag durch dessen Enkel Cornelius. Eine Wiedergutmachung? Es ist letztlich der Neutralität und Kompetenz von Chef-Kuratorin Silvie Aigner zu verdanken, dass die aktuelle Ausstellungs-Serie von politischer Vereinnahmung frei ist. Zwischen Nötsch im Westen und Bleiburg im Lavanttal findet das Projekt in insgesamt neun Museen und Kunstvereinen an sechs Standorten statt, zusätzlich hat Silvie Aigner zehn Privatgalerien eingeladen, im Sommerprogramm in Anlehnung an das Generalthema Künstlerinnen und Künstler zu zeigen, die einen biographischen Kärntenbezug haben. Mit dem Fokus auf Kunst seit 1945 schließt „K08“ an die 2004 von Agnes Husslein im Museum Moderner Kunst Kärnten (MMKK) kuratierte Ausstellung „Eremiten – Kosmopoliten: Moderne Malerei in Kärnten 1900–1955“ an. Um der „Landflucht“ Rechnung zu tragen, die generell für die Situation in Provinzen, und im Speziellen für die Situation der Kreativen bezeichnend ist, war für Aigner bei der Auswahl nicht primär maßgeblich, ob die jeweiligen Künstler in Kärnten geboren wurden oder nicht. Weit mehr Augenmerk legte sie auf Zusammenhänge zwischen Biographien und dem Kunstgeschehen nicht nur in Kärnten, sondern auch anderswo, was „K08“ durchaus eine sozialgeschichtliche Dimension verleiht. Als Beispiel dafür sei etwa Werner Berg genannt: 1904 in Wuppertal geboren, zog sich der vom der Neukunst-Bewegung geprägte Deutsche 1931 auf einen Unterkärntner Bauernhof zurück und agierte von hier aus als engagierter Mittler zwischen der deutschsprachigen und der slowenischen Kultur.Ebenso Arnulf Rainer: 1929 in Baden geboren, besuchte er 1947–49 die Gewerbeschule in Villach, lernte in dieser Zeit Maria Lassnig kennen und reiste zusammen mit ihr 1951 für längere Zeit nach Paris. Ihre im Ausland gesammelten Erfahrungen und Kontakte werden die beiden später hier bereitwillig weitergeben – etwa die Klagenfurter Galerie von Heidemarie und Ernst Hildebrand, die, beraten von Österreichs bedeutendstem (und immer noch unterbewerteten) Zero-Künstler Hans Bischoffshausen zumal in den 1960ern die internationale Avantegarde nach Österreich holte. Letzteres veranlasste „Presse“-Kunstkritiker 1956 zur treffenden Feststellung: „Ist es nicht merkwürdig, dass man von Wien nach Klagenfurt fahren muss, um endlich einmal eine größere und für eine kritische Untersuchung brauchbare Ausstellung neuer Tendenzen zu finden?“. Zumal in der großen, übersichtlich gegliederten Ausstellung im MMKK in Klagenfurt, die ingesamt den historische Dreh- und Angelpunkt des Projekts darstellt, wird die Komplexität dieser weit über Kärnten hinaus prägenden Phase anschaulich vermittelt. Hier werden die Linien der letzten Jahrzehnte nachgezeichnet: Die Skulpturen von Otto Eder (Begründer des ebenfalls in „K08“ integrierten Skulpturenzentrums [kunstwerk] krastal), Anton Marcolin, Othmar Jaindl – allesamt Wotruba-Schüler; die wichtigen Experimente in Sachen reduktiver und/oder abstrakter Zeichnung und Malerei der 1950er und 1960er Jahre (Lassnig, Eder, Rainer, die frühe Kogelnik, Staudacher, Fruhmann); Bruno Gironcolis Befreiung des Objekts und des Raums; Cornelius Koligs technoide Plexi-Skulpturen; die große Malerei Maria Lassnigs in Gegenüberstellung mit der emanzipierten Pop-Art Kiki Kogelniks; die düsteren Bildobjekte Kurt „Kappa“ Kocherscheidts im Dialog mit den Werken seines Freunds Reimo Wukounig; oder die Konzeptkunst Viktor Rogys.Sie alle werden in präziser und gut gegliederter Hängung auch in ihrer kunsthistorischen Dimension lesbar gemacht und bewertet – als Bezugspunkt, aber auch Reibefläche für die mittlere und junge Generation, der in Klagenfurt neben dem MMKK in der Alpen Adria Galerie und im Kunstverein Kärnten Raum gegeben wird. Während in der Alpen Adria Galerie der Präsentation einer architekturbezogenen Malerei-&Video-Arbeit von Hubert Lobnig bzw einer wuchernden Raumzeichnung Birgit Knoechls viel Platz eingeräumt wurde, ist der Kunstverein, ausgehend von den medialen und konzeptuellen Arbeiten Meina Schellanders und Inge Vavras, als Ort für einen, wenn auch nicht opulenten, so doch sorgfältig ausgewählten Querschnitt durch neue Tendenzen der Fotografie, Installation, Skulptur, Medien- und Objektkunst (Ines Doujak, Josef Dabernig, Anja Manfredi, Roland Kollnitz, Six & Petritsch, Luisa Kasalitzky u.a.). Der Napoleonstadel schließlich als vierter Klagenfurter Ausstellungsort versucht anhand einer Installation von SHARE Architects aus riesigen Luftbällen die internationale Vernetztheit von Architektur spielerisch zu vermitteln.Mit den Ausstellungen in der Landeshauptstadt erhält der „K08“ Besucher definitiv einen guten Überblick darüber, wie Künstlerinnen und Künstler in den letzten Jahrzehnten in Kärnten, von Kärnten aus und außerhalb davon im nationalen wie auch internationalen Kunstdiskurs mitagierten. Das sollte aber nicht vom Besuch der etwas spezialisierteren Ausstellungen außerhalb Klagenfurts abhalten. Sie stellen konzentrierte und sehenswerte Ergänzungen zum großen Überblick dar. So nimmt die Ausstellung im Bleiburger Werner Berg Museum konstruktive, konkrete und geometrische Tendenzen in den Fokus – von Berg, Bischoffshausen, Hollegha, Kogelnik, Kaufmann über Zobernig, Penker, Plieschnig bis hin zur jungen Kunst von Manuel Knapp, Suse Krawagna und Eric Kressnig. Kontrapunktisch dazu wird auf der anderen Seite des Landes, im Museum des Nötscher Kreises, eine kleine, fast schon sentimentale Geschichte der Figuration erzählt: Franz Grabmayrs farbschwerer pastoser Malerei steht die koloristische Landschaftsmalerei Karl Starks gegenüber, vis-à-vis von den objekthaften Malbüchern Hugo Wulz’, den verspielten Porträts der Helga Druml, den Ironiebildern Alina Kunitsynas, den Waldbildern von Markus Orsini-Rosenbergs, den malerischen Kleinformaten Richard Klammers.
Mehr Texte von Johanna Hofleitner

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K08: Emanzipation und Konfrontation - Kunst aus Kärnten von 1945 bis heute
08.07 - 02.11.2008

Werner Berg Museum
9150 Bleiburg, 10.-Oktober-Platz 4
Tel: 0043 42 35 21 10-0, Fax: 0043 42 35 21 10-22
http://www.berggalerie.at/
Öffnungszeiten: 15. Mai bis 15. November Die 14 - 17 Uhr, Mittw. - Sonntag 10 - 12 Uhr u. 14 - 17 Uhr, Mo geschlossen

Kunstverein Kärnten
9020 Klagenfurt, Goethepark 1
Tel: +43 463 553 83
Email: office@kunstverein-kaernten.at
http://www.kunstvereinkaernten.at
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 12-18, Do 12-20, Sa 9-13 h

MMKK Museum Moderner Kunst Kärnten
9020 Klagenfurt, Burggasse 8/Domgasse
Tel: +43 50 536 30 507
Email: office.museum@ktn.gv.at
http://www.mmkk.at/
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr

Alpen-Adria-Galerie
9020 Klagenfurt, Theaterplatz 3
Tel: +43 463 537 5532 od. 5224
Email: stadtgalerie@klagenfurt.at
http://www.stadtgalerie.net/alpen-adria-galerie/aktuelle-ausstellung.html
Öffnungszeiten: Di-So & Feiertag 10-17 h

Museum des Nötscher Kreises
9611 Nötsch im Gailtal, Haus Wiegele im Gailtal 39
Tel: +43 / 4256 / 3664, Fax: +43 / 4256 / 29069
Email: office@noetscherkreis.at
http://www.noetscherkreis.at
Öffnungszeiten: Mi-So 15-19 Uhr

Kelag-Schau-Kraftwerk Forstsee
9220 Techelsberg, Saag 15
http://www.kelag.at

Galerie im [Kunstwerk] Krastal
9541 Einöde bei Villach, Krastalerstraße 24
Tel: +43 (0)4248 3666, Fax: +43 (0)4248 3666
Email: office@schurzundpartners.at
http://www.krastal.com

Napoleonstadel - Kärntens Haus der Architektur
9020 Klagenfurt, St. Veiter Ring 10
Tel: +43 (0) 463 / 50 45 77, Fax: +43 (0) 463 / 50 46 01
Email: office@architektur-kaernten.at
http://www.architektur-kaernten.at
Öffnungszeiten: Mo-Fr 9-18 h


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