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Ein Zwischenstand

Berlin, Sonntag, 10. Februar, gegen Mittag vor einer Pressevorführung: "Did you see the competition film?" - "Yes" - "How was it?" - "Sweet. Boring." So ist das mal wieder in Berlin: Es ist bereits der 4. Festival-Tag und noch immer war kaum ein wirklich guter Film im Wettbewerb zu sehen. Obige Kürzestwertung bezieht sich übrigens auf den iranischen Beitrag von Majid Majidi "Avaze Gonjeshka-Ha" (The Song Of Sparrows), einen typischen Berlinalefilm ähnlich dem letztjährigen Sieger, dem chinesischen Spielfilm "Tuya de hun shi" (Tuya`s Wedding). Als handwerklich sauber inszenierte Aneinanderreihung großer Missgeschicke und kleiner Freuden in einer dem Westen fremden Lebenswelt hat dieser Film auf einem politisch bewegten Festival wie der Berlinale gute Chancen auf einen Preis. Natürlich gibt es bereits einen Favoriten. Nicht Majidis "Song Of Sparrows", sondern Paul Thomas Andersons "There Will Be Blood". Dieser weithin gelobte und für acht Oscars nominierte Spielfilm über Aufstieg und Fall eines skrupellosen "Ölmannes" Anfang des vorigen Jahrhunderts scheint alle Erwartungen zu bestätigen: Nach Werken wie "Boogie Nights" (1997), "Magnolia" (1999) oder "Punch Drunk Love" (2002) wird der Film um einen Glücksritters, der im Ölfieber des frühen 20. Jahrhunderts auf Kosten vieler anderer zu Geld kommt, aber menschlich isoliert die Kontrolle über sich verliert, als Andersons eigenwilliges Meisterwerk gefeiert und mit nichts Geringerem verglichen, als Erich von Stroheims epochalem Stummfilm "Greed" (1924). Der finnische Beitrag "Musta Jää" (Black Ice) von Petri Kotwica, eine Geschichte um eine Ehefrau, die sich heimlich und unter falschem Namen mit der Geliebten ihres Mannes anfreundet, um gegen deren Beziehung zu intrigieren, ging ohne Vorschusslorbeeren ins Rennen und fiel auch prompt durch: Die hervorragend gespielte, provozierende Geschichte kam mit einigen plot points zuviel daher. Auch Erick Zoncas lange erwarteter neuer Film, die John Cassavetes-Hommage "Julia", dessen umwerfende Hauptdarstellerin Tilda Swinton als versoffene Mittvierzigerin, die zur Kindesentführerein wird, leider weder das überfüllte Skript noch den eklatanten Mangel an notwendiger Struktur wettmachen konnte. Handwerklich stringenter inszenierte Isabel Coixet die Literaturverfilmung "Elegy". Doch trotz der beeindruckenden Hauptdarsteller Ben Kinglsey und Penélope Cruz als ungleiches Liebespaar konnte auch das Hochkulturprodukt "Elegy" nur im gediegenen Mittelfeld punkten. Denn wie fast alle bisher im Wettbewerb gelaufenen Filme transportiert "Elegy" vor allem eine Erzählung. Es ist etwas dran an Driedrich Diederichsens Feststellung, dass das Erzählen längst von den TV-Serie besser besorgt werde als vom Film. Vom Film verlange er, so war dieser Tage in der taz zu lesen, "symbolistische Gedichte und anarchistische Aphorismen, Konvulsionen und Aggressionen, Essays und Impromptus". Dem ist nichts hinzuzufügen.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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