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Kokoschka - Träumender Knabe - Enfant Terrible: Rasiert talentiert

Man kann ja nicht immer schimpfen. Nicht einmal auf die österreichische Galerie und deren neue, auch schon wieder ein gutes Jahr dort installierte Leitung. War ich also im Belvedere, und zwar im unteren. Muss ich jetzt schreiben, dass die dort gegebene Schau "Träumende Knaben - Enfant Terrible", die dem Frühwerk Oskar Kokoschkas hinterherspürt, wirklich gelungen ist. Kokoschka als Typ ist gelungen. Und die Ausstellung ist es auch. Man wirft ja gern mit dem Wort Expressionismus um sich, wenn es um die klassische Moderne geht. Die Leute vom Blauen Reiter sollen Expressionisten sein, und gar Henri Matisse soll dazugehören. Wenn es aber wirklich einer ist, dann der Bub aus Pöchlarn, der sich den Schädel rasierte, so talentiert war er. "mein abgezäumter körper/mein mit blut und farbe erhöhter körper/kriecht in eure laubhütten/schwärmt durch eure dörfer/kriecht in eure seelen/schwärt in euren leibern", lässt er sich in der Bildgeschichte, die der Ausstellung den Titel gegeben hat, im Duktus des Apokalyptischen vernehmen: "und ich war ein taumelnder/ als ich mein Fleisch erkannte". Dass es in solchen Präsentationen und Prätentionen nur so wimmelt von Bekenntnissen in der ersten Person, versteht sich von selbst. Neu vor allem ist aber das Medium, das das Ego trägt. Dieses Medium ist weniger der Körper als vor allem seine Schrumpfform. Träger der Ekstasen ist das Fleisch, das nackte, ausgesetzte, offengelegte, klaffende Fleisch. Und so zeigt er sich, mit Seitenwunde oder gleich ganz ohne Epidermis. Der Wiener Aktionismus in Personalunion. Vor dieser großen Realistik kann kein anderer Wille bestehen. Wenn doch, dann wird er wirr, der Künstlerkopf, und lässt sich einen Ersatz basteln, auf den er wartet mit all seinem Notstand in Hose und Hirn. Als sie endlich kommt, die Puppe, die Alma, seine Urmutter, vertreten soll, ist er konsterniert. In der Ausstellung haben sie sie nachgebastelt. Und sie sieht wirklich aus wie Frau Mahler-Gropius-Werfel. Sehr gelungen, wie gesagt. Kein Schimpfen? Aber doch: Den Katalog nämlich hat Alfred Weidinger, der Kurator, ganz allein geschrieben. Wo das steht? Tief vergraben im Impressum, und man muss es wirklich suchen. Nein, nicht ganz allein hat Weidinger geschrieben, das Vorwort stammt von der Frau Husslein. Wo das steht? Vorne, und hinten auch. Zwei Seiten gegen 280. Popanz gegen Potential. Was soll man sagen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Kokoschka - Träumender Knabe - Enfant Terrible
23.01 - 12.05.2008

Belvedere
1030 Wien, Prinz-Eugen-Strasse 27
Tel: +43 1 795 57-0, Fax: +43 1 795 57-121
Email: info@belvedere.at
http://www.belvedere.at
Öffnungszeiten: Täglich 10 bis 18 Uhr


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