Rainer Metzger,
Courbet: Wirklichkeit und Wichtigtuer
Man konnte ihn füglich für einen Wichtigtuer halten. Wie sich Gustave Courbet in die Posen des Schmerzensmanns warf, des Wahnsinnigen oder des verzweifelten Troubadours, da war der Weg vom Blessieren zum Blasierten allzu kurz. Jedes Bild ein Manifest, und jede künstlerische Geste eine One-Man-Show. Im "Atelier" hat er seine Motive, sein Publikum und seine Ambitionen versammelt, und er wollte zeigen, das akademische Requisit einer Aktfigur im Rücken, wie man ganz den Realisten gibt. Die Landschaft, die er im Entstehen zeigt, ist dann allerdings in der Quarantänestation des Studios entstanden, pure Imagination also und überhaupt nicht jenem Vor Ort verpflichtet, der im Plein Air gefordert ist. Vor lauter Ehrgeiz kam ihm das Konzept durcheinander. Einen "Amphibiologen" hat ihn Delacroix genannt, und in der Tat schickt der Meister die Menschen in einen Sumpf an Prätention.
Mit gut vierzig Jahren polt er sein Programm um, und die Ambition richtet sich auf das Eigene und Eigentliche seiner Kunst, auf Material und Medium. Forciert wie eh und je verweigert er den Elementen nun ihre Aggregatszustände. Der Felsen, die Welle und die Wolken entstammen der einen, irdenen, fleischigen Brachialität, die sie auf die Leinwand heftet, als wären sie festgenagelt. Ein Feinmaler ist Courbet nie, doch die Kraft, die Rustikalität und Unumwundenheit, mit der er sich nun die Physiognomie der Erdoberfläche anverwandelt, macht ihn zum Wirklichkeitfanatiker in Perfektion. Der Romantiker hat seine Fragmentarik gefunden.
Courbet war schon einer, der einem auf die Nerven gehen konnte. Dass es damit endgültig vorbei ist, kann man als das definitive Ergebnis der epochalen, sensationellen, phänomenalen Ausstellung verbuchen, die das Pariser Musée d`Orsay momentan im Grand Palais abhält. Sechs seiner Wellenbilder nebeneinander, drei Ansichten der Grotte der Lure, die Porträts der heimatlichen Gegend in der Franche-Comté und jede Menge der Aktdarstellungen, in denen Courbet die ganze Palette seiner Misogynie von Orangenhaut bis Krampfadern vorführt, um endlich doch bei einem Gran Freundlichkeit und Nonchalance zu landen " all das und noch viel mehr zeigt die Schau, der zum vollkommenen Glück nichts fehlt außer vielleicht zwei, drei Werke wie etwa die "Kornsieberinnen".
Nach dieser Ausstellung ist Courbet in aller Vollständigkeit rehabilitiert. Und, auch das zeigt die Ausstellung, die Wichtigtuer sitzen wohl doch woanders, die Wichtigtuer mit einem W wie Wien.
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Courbet
13.10.2007 - 28.01.2008
Galeries nationales du Grand Palais
75008 Paris, 3, avenue du Général-Eisenhower
Tel: +33 1 44 13 17 17
http://www.rmn.fr/galeriesnationalesdugrandpalais
Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-20, Mi 10-22 h
13.10.2007 - 28.01.2008
Galeries nationales du Grand Palais
75008 Paris, 3, avenue du Général-Eisenhower
Tel: +33 1 44 13 17 17
http://www.rmn.fr/galeriesnationalesdugrandpalais
Öffnungszeiten: Mi-Mo 10-20, Mi 10-22 h