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Stan Douglas - Past Imperfect, Werke 1986-2007: 204 023 Varainten und 157 Stunden

Kunstvereine haben ihre große Zeit hinter sich. Das Bürgertum, das sie einst mit Sinn versorgte, fährt nur noch Angeberautos, und die Job Description für den Leiter einer solchen Institution besteht ausschließlich aus jenen Punkten, die Helmut Draxler vor 15 Jahren in München einmal durchexerzierte. Da ist es schon erstaunlich, wie der Württembergische Kunstverein in Stuttgart die Ressourcen bündelt, die ihm aus der Tatsache, dass es sich hier um den größten überhaupt handelt, erwachsen. Er hat, als ginge es normalerweise nicht umgekehrt, auch gleich die Staatsgalerie Huckepack genommen, das ehrwürdige Haus mit vor noch nicht langer Zeit zwei Millionen Besuchern jährlich, das sich im Wechsel in der Chefetage und in diversen Umbaumaßnahmen gründlich zerfranst hat. Gegeben wird Stan Douglas, Jahrgang 1960, der kanadische Videomann, und es ist auf unendlich vielen Quadratmetern nichts anderes als eine Retrospektive. Seit zwanzig Jahren ist Douglas der perfekte Künstlerkünstler, der das genuine Interesse am Formalen mit enzyklopädischer Bildung und entsprechender Warte von der Meta-Ebene aus kurzschließt. 1986 setzt Douglas seine Ouvertüre, und das Werk heisst in bester Oeuvre-Strategie auch gleich so. "Overture" bedient sich dreier Kurzstreifen aus der Zeit, als die Bilder laufen lernten, montiert sie hintereinander und legt einen Ton darüber, der Prousts monumentale "Suche nach der verlorenen Zeit" rezitiert und dessen Spur doppelt so lang ist wie die visuelle Sequenz. Kombinatorik und Asynchonität, Found Footage und Filmgeschichte, Permutation und die Perspektive auf ein Zusammenkommen zu irgendeinem Termin in einer Zukunft sind schon einmal vorhanden. Der Hang zum Zeitlupenhaften und Statischen, zum Befragen des Kinos und zum Zitieren von Literaturklassikern ebenso. Man muss sich Zeit nehmen für Douglas` Kosmos. Seit dem Erstling sind das Permutieren und der Tunnelblick auf einen Fluchtpunkt der Bilder und Töne im Unendlichen mächtig angeschwollen. Ob die in späteren Arbeiten in Aussicht gestellten "204 023 Variationen" zwischen Bildfolge und Dialog und die "157 Stunden Laufzeit", die sich ergeben, ehe ein visuelles und ein akustisches Motiv wieder zusammenkommen, eine Warnung formulieren oder ein Prädikat, lässt sich schon fragen. Kunst ist bekanntlich ein Versprechen auf Glück. Manchmal reicht bereits das Versprechen auf ein Ende.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Stan Douglas - Past Imperfect, Werke 1986-2007
15.09.2007 - 06.01.2008

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