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Meister dunkler Wahrheiten

Auch andere wussten spannende Filme zu machen, doch Alfred Hitchcock lehrte sein Publikum, was Suspense bedeutet: eine Art Streckbank für das Nervenkostüm, auf die man sich dennoch mit Vergnügen legt. Noch vor der Filmtheorie hatte der Ausnahmeregisseur begriffen, dass Film und die Erkenntnisse der Psychoanalyse zusammen gehören und machte - sehr zum Vorteil für den Unterhaltungswert - (verdrängte) Triebe, Phobien und Neurosen zu Undercoveragenten seiner Filme. Es war Hitchcock, der im Film alle Schleusen öffnete: für den Horror, der von innen kommt, und zwar sowohl aus seinen verkorksten Protagonisten, als auch aus der Form der Filme selbst. Sein Einfluss auf nachfolgende Regiegenerationen von Chabrol bis Iñárritu ist überhaupt nicht zu überschätzen. Man kann der Filmtheoretikerin Laura Mulvey nur beipflichten: "Wenn man aus einem Abstand von sechsundvierzig Jahren, nach der Hundertjahrfeier des Kinos und in einem neuen Millenium über Psycho nachdenkt, so nimmt die Bedeutung des Films als ein Meilenstein der Filmgeschichte eher zu, als dass sie schwindet." Sowohl die Ökonomien des Zeigens und Verbergens in der schnellen Schnittfolge der berühmten Duschszene als auch die deutlichen Anleihen bei Sigmund Freuds Theorien zum Todestrieb oder zum Ödipuskomplex haben das Filmemachen unwiderruflich verändert. Wie ein wirkmächtiger Deus ex machina setzte Hitchcock die schon vor ihm von Dada und den Surrealisten vertretenen Sichtweisen in der Logik des populären Kinos um und stellte dem zunächst durch einen und dann einen zweiten Weltkrieg erschütterten Rationalismus der Moderne ein von unbewussten Kräften beherrschtes Individuum gegenüber, in dem sich obendrein das vom Suspense auf seine eigene Irrationalität verwiesene Publikum widerspiegelte. Was Hitchcock als erster zur Perfektion brachte, war den Zuseher so in seine Filme zu verstricken, dass er allein an diesem Verhältnis erfahren kann, wie das Leben uns lebt. Während der Meister alle Fäden in der Hand behält. Österreichisches Filmmuseum 1. Dezember 2007 bis 4. Februar 2008 www.filmmuseum.at Der erste Teil der Schau präsentiert sämtliche Filme, die Alfred Hitchcock bis 1947 gedreht hat. Der zweite Teil (ab 5. Jänner 2008) enthält seine Filme und TV-Arbeiten ab 1948 sowie zahlreiche Filmdokumente und Vorträge über den Regisseur. Das Sigmund Freud Museum zeigt von 4. Dezember 2007 bis 2. Februar 2008 die Filminstallation "Phoenix Tapes" von Christoph Girardet und Matthias Müller, in der ausnahmslos Hitchcocks Filme zum Einsatz kommen. 1090 Wien, Berggasse 19, Tel. 01/319 15 96. Täglich 9-17 Uhr.
Mehr Texte von Andrea Winklbauer

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