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Romantischer Konzeptualismus: Raue See, strenge Muster

"In den 1960er Jahren nahm die konzeptuelle Aktivität einen dialektischen Standpunkt zu verschiedenen Ideologien der Kunstwelt ein", schrieb Douglas Huebler 1982. Er beklagte dabei allerdings, dass die Möglichkeiten konzeptueller Praxis, eine Weltsicht zu erzeugen, noch kaum ausgeschöpft seien. Und diese Weltanschauung soll nun ausgerechnet die Romantik sein? Die von Jörg Heiser kuratierte Ausstellung legt genau das nahe. Und liefert einige gute Argumente dafür, dass so etwas wie der Titel gebende romantische Konzeptualismus existiert. Es geht dabei aber nicht um die potenzielle Poetik von "instruction pieces" oder um die Entdeckung des schmachtenden Genies hinter der Fassade der emotionalen Trockenheit seiner oder ihrer Arbeiten. Auch nicht um Versöhnung von Verstand und Gefühl, was ohnehin auf einem verkürzten Verständnis von Konzeptkunst wie Romantik beruhte. Eines der Schlüsselwerke der Ausstellung, die 23 Positionen zeigt, ist Susan Hillers Postkartensammlung "Dedicated to the Unknown Artist" (1972-76). Die 305 Ansichtskarten von starkem Seegang vor der britischen Küste sind nach abgebildeten Orten und bildimmanenten Ähnlichkeiten in ein striktes Gittermuster sortiert und katalogisiert. Formale Reihung, Recherche und Archiv sammeln und ordnen nicht nur, sondern verhöhnen auch: Caspar David Friedrich zum Beispiel. Und sie bedienen sich dabei zugleich eines bereits seriell produzierten Augenzwinkerns, das schöne Grüße von der Insel mit dem Bild unbändiger Fluten verschickt. Die Ironie aber ist nur eine Methode des romantischen Konzeptualismus. Die Filme von Andy Warhol ("Kiss", 1963) und Bas Jan Ader ("I´m too sad to tell you...", 1971) führen paradigmatisch vor, wie "das Un-Systematische systematisch zu behandeln" (Heiser) ist. Dabei kann es passieren, dass Rührendes aus Sachlichkeit herausquillt und, umgekehrt, institutionelle Muster sich in scheinbar unpolitischen Gesten abzeichnen. Das zeigt sich auch in aktuellen Arbeiten wie der Fotoserie "needs" (1999-2001) von Didier Courbot, in der der Künstler gezeigt wird, wie er auf einer Verkehrsinsel Blumen gießt oder ein Vogelhaus an einer Straßenlaterne befestigt. Der romantische Konzeptualismus ist, so Heiser, auch ein "Manöver". Als solches macht er der Konzeptkunst die rationale Coolness streitig und bricht zugleich das schwülstige Pathos der Romantik. Huebler wäre einverstanden.
Mehr Texte von Jens Kastner

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Romantischer Konzeptualismus
14.09 - 01.12.2007

BAWAG Foundation
1040 Wien, Foundationsquartier, Wiedner Hauptstraße 15
Tel: +43 1 504 98 80 38, Fax: +43 1 504 98 80 39
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