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Spiele des Systems

Wer im Universum der Kunst seine Beteiligung sucht, muss automatisch jene Regeln des Ein- und Ausschlusses beachten, die den Grundsätzen der Politik und ihrer uneingeschränkten Machtsymbolik folgt. Während BesucherInnen der Venedigbiennale mit politisch korrekten und bildästhetisch unaufregenden Kunstwerken ein Parcours durch Giardini, Arsenale und die Stadt beschert wurde, bedurfte es auch einiger Highlights des Sozialisierens an offizieller nationalpolitischer Seite. Wer hätte geglaubt, dass sich die Spitzen der österreichischen Politik ein Stelldichein geben, um den diesjährigen nationalen Repräsentanten in Venedig zu preisen? Vielmehr war es wohl ein Mittel zum (Selbst-)Zweck, das die Eröffnung des Österreichpavillons zu einem Ereignis der Sonderklasse werden ließ, was unzählige BesucherInnen anlockte wie es noch nie zuvor der Fall gewesen war. Zweifelsohne gab Herbert Brandl sein Bestes, jedoch schien es den offiziellen RepräsentantInnen des Staates entgangen sein, dass zwei weitere KünstlerInnen des Landes, die zu den wahrlich Großen zählen, in Robert Storrs Ausstellung im Arsenale vertreten waren. Da es galt, den Österreichpavillon zu eröffnen, vergaß das offizielle Österreich etwa Frau EXPORT zu diesem gemeinsamen nationalen Beisammensein (oder zum Essen mit dem Bundeskanzler) einzuladen. "Macht nichts", würde Frau Jelinek sagen, wie sie es bereits in ihrer kleinen "Trilogie des Todes" getan hat. Macht auch nichts, dass einige der treuen ÖsterreicherInnen versuchten, die Ausstellung von Franz West gegenüber dem Arsenale Gelände zu besuchen, was den meisten nicht gelungen ist, da die italienische Polizei kurzerhand die Shuttle-Überfuhr untersagt hatte. So konnten sich einige Wagemutige immerhin noch mit den nackten Gelitins auf einem Floß über das Wasser bringen lassen, um diese exklusive Kunst-Präsentation nicht zu verpassen. Wer dann Freitag Abend noch eine Einladung zur österreichischen oder deutschen Party hatte, konnte zwischen den beiden nahe aneinander gelegenen Events am Lido wechseln. Österreich gab sich im siebziger Jahre Urlaubsstil mit einer Live-Band, die Discoklassiker nachsang und an so manche Kindheitserlebnisse erinnerte, als es galt, mit den Eltern nach Italien zu fahren und im Vollpensionsmodus nach dem Abendessen noch das Verdauungsprogramm im Tanzschulrhythmus zu absolvieren. Bei den Deutschen rockte es dagegen wirklich - mit einem Konzert der Scissor Sisters - wodurch diese national geprägte Fete in ihrer Gestik an das Kraftwerk Konzert vor zwei Jahren anknüpfte und cooles Understatement zu beweisen versuchte. Wer dann schließlich noch zur Vaporetto Station am Lido musste, war bei den ÖsterreicherInnen wieder besser bedient, da diese einen gratis Shuttle-Bus bereitgestellt hatten, der die deutsche NachbarInnenschaft am Weg schlichtweg negierte. Für Spaß abseits der Kunstbetrachtung war also gesorgt.
Mehr Texte von Walter Seidl

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