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Ausweidung und Alltag

Der Weg zum Hermann-Nitsch-Museum im Museumszentrum Mistelbach führt nacheinander vorbei an der Diskothek "Touch me", einem Geschäft mit der Aufschrift "Schnäppchen - jetzt günstig!" (früher wohl "Schnäppchen - leider teuer") und einem Schild, das das Anlegen von Schneeketten empfiehlt. Die Umgebung des Weinviertels ist nicht schlecht gewählt für eine Institution, zu der binnen kurzem unter anderem noch das internationale Messwein-Archiv kommen soll. Nitsch, so wird betont, ist schließlich der prominenteste Bewohner des kulturell in den letzten Jahren enorm aufgewerteten Landstrichs. Mit der Eröffnung eines eigenen Museums, das nicht zuletzt dank der Initiative eines engagierten Bürgermeisters zustande kam, ist Nitsch als Klassiker kanonisiert; offenbar hält es selbst Brigitte Bardot nicht mehr für notwendig, zu Protestzwecken anzureisen. Die Mistelbacher Stadtkapelle spielt Nitsch-Kompositionen, die pro forma anwesenden Polizisten laben sich an Fingerfood und betrachten Schüttbilder und Ausweidungs-Fotoserien. Vom Servieren von Blunzen und Innereien hat man zugunsten von Lachsbrötchen abgesehen. Für das Museum wurde vom Büro archipel eine leerstehende Pflugfabrik zu einer abstrahiert klosterartigen Anlage umgebaut. Der latent sakrale Charakter der bestehenden Werkshallen kam dem Konzept entgegen. Im großen Ausstellungsraum führt eine Rampe zu einem intimen kryptaartigen Raum mit runder Deckenöffnung, im Fabrikshof entstand eine amphitheatralische Anlage, die publikumswirksame Aktionen erwarten lässt. Nitschs Werk ist in den weitläufigen Räumen großzügig präsentiert, neben langen Reihen von Kreuzwegbildern und Aktions-Videos sieht man auch weniger bekannte großformatige Grafiken, Reihen von Papiertaschentuch-Stapeln sind ein durchgängiges Motiv. Ein umfangreiches Vermittlungsprogramm soll den Museumsbetrieb begleiten. Das große dionysisch-kathartische Gesamtkunstwerk, so scheint es, ist im Alltag angekommen. www.mzmistelbach.at
Mehr Texte von Iris Meder †

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