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Jörg Immendorff 1945 - 2007

Das Modell unter den Künstlerfürsten ist Peter Paul Rubens. Nun mögen einem andere einfallen, wenn es um dieses Prädikat in der Gegenwartskunst geht als Jörg Immendorff - manche seiner malenden, bersekernden und Handküsschen verteilenden Kollegen von der gemeinsamen Galerie Michael Werner, Markus Lüpertz oder Georg Baselitz, drängen sich da mächtig nach vorne. Immendorff aber war es gegeben, dem barocken Repräsentanten einer Einheit von Kunst und Leben auf eine Art nachzufolgen, die über Attitüde hinausgeht. Rubens war der Künstlerfürst, weil er es buchstäblich wurde, der Ästhetiker, der geadelt worden war und der Aristokratie neue Kraft zuführte für alle Verschlagenheiten von Diplomatie und internationaler Ranküne. Immendorff war ein gesellschaftlicher Mensch nicht minder, und seine Karriere vollzieht sich unter Bedingungen einer Massendemokratie, die nichts eher als ist VIP-versessen und narzisstisch. Immendorff studierte bei Beuys, machte sich auf des Meisters Esoterik den strammen Reim des Maoismus, hörte auf mit der Kunst, um dem Glauben anzuhängen, vor Ort, in den Schulen liesse sich besser agitieren - ein Glaube, dem seinerzeit, im Gefolge von 68, auch die allergrößten anhingen, Jean-Luc Godard zum Beispiel -, er lernte die Frustration kennen und in schneller Kehrtwende das süße Leben als Großkünstler, malte Bilder, die sehr direkt nach dem Monumentalen streben, wurde ein Postmoderner, um sein Ende zu finden mit dem ebenso kostbaren wie niederschmetternden, politisches Dasein heute auf den Punkt bringenden Schlussakt der Apotheose und Höllenfahrt auf einer ganzen Nachrufseite der Bildzeitung, garniert mit den persönlichen Erinnerungen Gerhard Schröders an ihn. Das Schranzenhafte einer vom Revolutionär zum Opportunisten sich exemplarisch entwickelnden Biografie kennt man. Immendorff indes hat sein malerisches Geschick immer auch darauf verwendet, das positive Gegenstück zum Opportunisten zu entwerfen: den Freund. Immendorff ist der große Verfertiger von Freundschaftsbildern, darin wieder ein Geistesverwandter von Rubens, der das Sujet erfunden hat. Immendorffs "Café Deutschland"-Folge umkreist in der Tradition des Mantuaner Gruppenbildnisses von Rubens, von Max Ernsts Porträt des Surrealistenkränzchens oder von Renato Guttusos kommunistisch angerauchtem "Café Grecco" den Status Quo einer Gegenwart, in der das Weltgeschehen sich stets in den Idiosynkrasien der intimen Zirkel spiegelt. Im Café Deutschland saßen Immendorffs Künstler- und Kuratorenfreunde, saßen Intellektuellen und saß immer wieder Beuys, und meistens ging ein Zaun durch dieses Etablissement, der eine schmuddelige Ecke auf der rechten Seite abgrenzte, rechts, wo auf Landkarten immer der Osten ist. Mit diesem Zyklus auch hat Immendorff speziell den Achtzigern gegeben, was speziell diese immer suchten: das neue, das aktuelle, das moderne Historienbild. Seit einem knappen Jahrzehnt wusste Immendorff um die Nervenkrankheit, an der er jetzt gestorben ist, und der Rang einer öffentlichen Figur brachte es mit sich, dass er einige Facetten seines Siechtums zuviel nach außen dringen ließ. Gleichwie, Immendorff war gezwungen, ein weiteres Mal wie Rubens zu agieren, denn nun musste ein Werkstattbetrieb organisiert werden, der Bilder produzierte, die auch ohne Eigenhändigkeit funktionieren. Rubens war darin ja der Weltmeister. Was Immendorffs späte, mit Fug konzeptuelle, weil über die Mündlichkeit der Anordnung ins Werk gesetzte Arbeiten hergeben, wird sich erst in den kommenden Jahren zeigen. Bisher hat ihnen die Pietät seinem Zustand gegenüber alle Gelungenheit attestiert. Doch Immendorff hat seinen Platz in der Kunstgeschichte längst sicher. Dass die Bundesrepublik jetzt schon lauter trauert als bei jedem Künstler vorher, liegt auch daran, dass sie von Immendorff die ihr gemäßen Bilder bekommen hat.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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