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Markus Oehlen: Neue Märchen in 3D

"Arbeiten auf Papier" hat Markus Oehlen seine Ausstellung von großformatigen Werken in der Galerie Hohenlohe betitelt. Ein sprödes Bezeichnen der Tatsache, daß alle in den Galerieräumen ausgestellten Bilder flach sind, flacher noch, als das typische Malereibild auf Keilrahmen gewöhnlich impliziert. Papiere eignen sich zum Druck, zur schnellen Skizze, zu Leichtigkeit und Verschwendung, sie sind fragil und altern schneller. Gerahmt erhalten sie durch die Aura des Glases die Abgeschiedenheit eines Schaufensters außerhalb der Geschäftszeiten. In allen Arbeiten verwendet Markus Oehlen Siebdrucktechniken. Einige Elemente - etwa das Motiv einer Felge - kehren in verschiedenen Bildern und anderem Kontext wieder. In allen Arbeiten finden sich streifenförmige Strukturelemente, die von anderen Motiven zwar überlagert werden, aber doch eine vordergründig unnahbare Räumlichkeit bilden. Lauter ikeakompatible Jalousien, in ganz verschiedenen farblichen Zusammensetzungen, möchte man sich oberflächlich denken, heiter und unaufdringlich. Auf diesen Streifen-Texturen lassen sich schemenhaft konturierte Einzelgestalten ausmachen, teils von leuchtenden Aureolen umgeben, teils derartig liniert, als handelte es sich um geographische Abbildungen. Erst beim ruhigeren Hinsehen entpuppen sich deutlichere Zuschreibungen - vielleicht ein Rocksänger, vielleicht eine Gespenst auf einem zerfließenden Motorrad, vielleicht eine Reifenfelge ohne Schlauch, vielleicht ein kriechender Leib wie in einem Ohr, vielleicht zellulär in sich arbeitende Blasen, vielleicht eine Frau mit Spiegel, die einer Frau mit Spiegel von Munch ähnlich sieht. Vielleicht eine Wüstenlandschaft, vielleicht ein sitzender Pudel beim Picknick. Kann sein, muß aber nicht. Die Bedeutung der dechiffrierten Gestalt - ist es angenehm, in einem Ohr zu sitzen und gegen das Ohr anzukriechen? - korreliert nicht mit dem Ausdruck der Farbgebung. Gerade die Szenerie des sitzenden Pudel beim Picknick könnte auch eine Pudelsphinx auf einem gliederförmig sehr aerodynamisch aufgeweichten Raumschiffknochengerüst sein. Das Unsicherheitsmoment von nicht eindeutig entschlüsselbaren Rätseln - unheimlichen Geheimnissen - wird jedoch durch die Harmonie der Farbzusammenhänge konterkariert. Die Farbigkeit, die jedem Blatt eine unverwechselbare eigene Lichtstimmung gibt, erinnert in manchen Bildern an die Splitterpalette von pointilistischen Landschaften. Oehlen schafft Räume durch Ablagerung, und die Erkundung dieser akkumulierten Räumlichkeit ist, als könne man sich während des Spaziergangs durch die Ausstellung beibringen, eine neue Art von Märchen zu erzählen. Die inhaltliche Freiheit für die Gestaltung des Märchens resultiert aus sehr interessanten malerischen Effekten. Oehlen erzeugt schräge Unschärfen und Op-Art-Flimmern, bei dem sich verschiedene Streifen und Kontraste in visuellen Dopplereffekten zu 3D-Konfigurationen aufladen. Das nicht ausdrücklich im Kontext in der Ausstellung enthaltene, im Büro der Galerie befindliche Lackbild auf Keilrahmen, "Das Friseur", 250x200, 1999/2000 läßt Oehlens Faszination für moderne Visualisierungsmethoden deutlich erkennen. Eine sich anthropomorph verflüssigende Gestalt, rotblau gestreift, spielt in einem fliegenden Dschungel Blasenball mit sich selbst, könnte die inhaltliche Beschreibung lauten - eine monumental gesetzte Figur löst sich in ihr eigenes Muster so auf, daß sie räumlich neu erscheint, wäre die formale Variante. Liebenswürdig und befreiend erscheint diese Dualität von Rätsel und malerischem Vorgehen. Ähnlich der Freude darüber, dass Papier, das nicht Geld oder als Buch gebunden ist, dennoch so tiefenvariabel erscheinen kann.
Mehr Texte von Gesche Heumann

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Markus Oehlen
23.05 - 31.08.2007

Galerie Hohenlohe
1010 Wien, Bäckerstrasse 3
Tel: +43 1 512 97 20, Fax: +43 1 512 74 19
Email: galerie@galeriehohenlohe.at
http://www.galeriehohenlohe.at
Öffnungszeiten: geschlossen


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