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Das Kunstfeld macht die KünstlerInnen

Jacques Rancière wirft Pierre Bourdieu "billige Bequemlichkeit" vor. In der von Bourdieu beanspruchten Entmystifizierung des Kunstbetriebes würden sich allein wissenschaftliches und politisches Fortschrittsdenken treffen. Dies ginge allerdings, so Rancière, auf Kosten des Gegenstandes: der Kunst selbst. Der Malerei und der Fotografie widmen Michael Grenfell und Cheryl Hardy hingegen je ein ganzes Kapitel. Und ihr aktuelles Buch handelt ausschließlich von Bourdieus Zugang zur Kunst. In einer klar gegliederten und ebenso transparent verfassten Einführung gelingt es den AutorInnen, den soziologischen Kontext und die praxisorientierten Grundzüge von Bourdieus theoretischen Arbeiten zur Kunst herauszustellen. Dabei besprechen sie keineswegs nur sein in dieser Hinsicht wichtigstes Werk, "Die Regeln der Kunst", auf das sie im eigenen Titel anspielen. Von den frühen Studien zur (Nicht-)Anerkennung der Fotografie als künstlerische Gattung ("Eine illegitime Kunst") über die nach wie vor wegweisenden Studien zu den Ausschlussmechanismen der Institution Museum ("Die Liebe zur Kunst") bis hin zu den "Elementen zu einer soziologischen Theorie der Kunstwahrnehmung" stellen die AutorInnen die zentralen Zusammenhänge in Bourdieus schaffen her. Dabei zeigt sich unter anderem, dass Bourdieus theoretisches Instrumentarium keineswegs nur für das 19. Jahrhundert taugt. Um dieses geht es in "Die Regeln zur Kunst" und in der Studie zu Manet. Auch die von den Bewegungen der 1960er Jahre neu aufgeworfene Frage, was Kunst überhaupt sein könne, lässt sich, das zeigen Grenfell und Hardy, auch noch für die Gegenwartskunst hervorragend in den Begriffen Bourdieus besprechen. Indem sie sein Modell auf die Young British Artists anwenden, verbleiben sie dabei auch nicht ausschließlich auf theoretischer Ebene. Die radikale gesellschaftliche Verortung der Kunst - "the art field makes the artist" (Grenfell/Hardy) - trifft im Feld selbst verständlicher Weise auf wenig Gegenliebe. Hier glaubt man immer noch gerne an Talent oder gar Genie. Oder daran, dass Geschmack etwas originär Individuelles sei. Oder, wie Rancière, daran, dass es in Sachen Ästhetik einen "gemeinsamen Sinn, einen `Gemeinsinn´" gebe. Nach Bourdieus empirischen Studien ist eine solche Annahme nichts weiter als eine Illusion. Das Buch von Grenfell und Hardy ist deshalb nicht bloß ein weiteres Objekt im Tauschsystem der symbolischen Güter. Es ist auch ein gelungener Einsatz im - von Bourdieu beschriebenen - Kampf um Kräfteverhältnisse innerhalb des Feldes. Auf Deutsch gibt es bislang nichts Vergleichbares. Michael Grenfell/ Cheryll Hardy Art Rules. Pierre Bourdieu and the Visual Arts Oxford/New York 2007 (Berg Publishers), 198 S., 30,- Euro.
Mehr Texte von Jens Kastner

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