Louise Bourgeois - Reconstruction of the Past: Morgen ist heute schon gestern
Aufgenommen in den illustren Kreis von Ehrenmitgliedern revanchiert sich die agile 90-jährige amerikanische Künstlerin Louise Bourgeois bei der Akademie der Bildenden Künste mit einer in Wien längst fälligen Einzelausstellung. Geboten wird mit Zeichnungen, Grafiken, Skulpturen und Environments ein profunder Querschnitt aus Werken der 90er Jahre. Seit ihrer Retrospektive im New Yorker Moma 1982 ist es Louise Bourgeois gelungen, den Kunstglobus zu erobern. Dabei sind die traumatischen Züge ihres Werkes keineswegs leichte Kost, sondern dringen in die Tiefen des menschlichen Unbewußten, erzählen von obsessiven Rückblenden in die eigene Vergangenheit. Uns erwartet ein ebenso reizvolles, wie gefährliches Rendezvous von existentieller Dimension, das vor schmerzhaften Erfahrungen nicht zurückschreckt. Als Spezialistin in Fragen der weiblichen Psyche zählt Bourgeois zu den Galionsfiguren der Bad Girls seit den 70er Jahren. Ihre Werke sind aufgeladen mit der erotischen und sexuellen Energie einer Widerspenstigen, deren künstlerische Selbstartikulation sich gegen patriarchalische Strukturen auflehnt. Allerdings bringt Kurator Gunter Damisch durch eine Überbetonung des Autobiografischen genau jene Mystifikationen ins Spiel, gegen die eingefleischte Bourgeois-Kenner anschreiben. Wiederkehrende Themen wie jenes der Spinne als Porträt der Mutter läßt ein Bemühen um Homogenität als überflüssig erscheinen. Das grandiose Hauptwerk Passage Dangereux ist kein Ort zum Wohlfühlen, sondern eine Wunderkammer vollgestopft mit Körperfragmenten, Holzstühlen und Surrogaten menschlicher Körper - bizarre Szenen der Erinnerung. Ein elektrischer Stuhl verdeutlicht: es ist eine grausame Kunst, der wir uns gegenüber befinden. Trotzdem ist sie paradoxerweise auch eine Kunst der Verführung und voller humoresker Anspielungen. Wenn Louise Bourgeois im Videointerview mit Moma-Kurator Robert Storr anmerkt, daß auch sie geliebt werden will, so können wir erwidern: We love you. Kaum eine andere Kunst macht das Leben derartig spürbar.
05.04 - 27.05.2001
Akademie der bildenden Künste - Atelierhaus
1060 Wien, Lehargasse 8
http://www.akbild.ac.at