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Münster ist nicht Kinshasa

"Die ästhetische Diskussion über Skulptur", sagt Kurator Kasper König bei einer Podiumsdiskussion, "ist ja formal nicht mehr einzulösen." Die "Skulptur Projekte" finden dennoch unter diesem Namen auch 2007 in Münster statt, zum vierten Mal im Abstand von zehn Jahren. Dass unter skulpturale Techniken mittlerweile selbst filmische Methoden subsumiert werden können, legt zumindest der Titel der Vorab-Publikation zur Ausstellung nahe: "Vorspann". Der Band versammelt elf Gespräche mit teilnehmenden KünstlerInnen und eine Diskussion des KuratorInnenteams, aus dem auch das Eingangszitat stammt. Und tatsächlich arbeiten von den diesmal nur 35 eingeladenen KünstlerInnen - 1997 waren es noch über 70 - einige mit Film. Clemens von Wedemeyer beispielsweise erläutert, inwiefern und wieso sein Misstrauen gegenüber der Faszination für das Kino Ausgangspunkt seiner künstlerischen Arbeit ist. Kino sei nicht nur Denk-, sondern auch Verkaufsraum, dessen Verplanung mit der Auslöschung von Konflikten beginne. Konfliktive Auseinandersetzungen aber, das schreibt der Wiener Philosoph Oliver Marchart, sind konstitutiv für das, was wir Öffentlichkeit nennen. Die These Marcharts zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch. Dabei zeigt sich auch, dass die künstlerischen Fragestellungen hinsichtlich des Öffentlichen sich gegenüber den Vorgängerausstellungen stark verändert haben. In den Worten Andreas Siekmanns stand der städtische Raum vor allem als geografischer (1977), als funktionaler (1987) und dann als sozialer Raum (1997) zur Debatte. Heute gehe es darum, und darauf weisen auch Wedemeyer oder Silke Wagner hin, auf den "öffentlichen Raum als Marketinggröße" (Siekmann) zu reagieren. Aber nicht allein daraufhin richten sich die künstlerischen Strategien aus. Die Gespräche vermitteln nicht nur einen Eindruck von deren unterschiedlichen Motiven und Motivationen. Sie streifen über den gemeinsamen Anlass immer wieder auch die Geschichte der Münsteraner Skulpturen-Ausstellung. Diese hat mittlerweile 39 Werke auf den Plätzen, Straßen und Wiesen der westfälischen Provinzmetropole zurückgelassen. Die kuratorische Aufgabe habe daher für 2007 nicht darin bestanden, weitere tourismuskompatible Arbeiten in die städtische Landschaft zu stellen, sondern, so Brigitte Franzen, "den Untersuchungsgegenstand und das spezifische Verhältnis von Kunst zu ihren Rezipienten neu zu justieren und im Testfeld Realität zu verankern." Diese Realität durch die Einladungspolitik als ausschließlich europäische und nordamerikanische zu definieren, ist - auch wenn damit ein möglicher "Neo-Exotismus" (Franzen) vermieden werden soll und Münster nicht Kinshasa ist (Kasper König) - doch enttäuschend. Denn postkolonialistische Debatten über den Ausschluss der "Anderen" haben seit 1997 schließlich auch den deutschsprachigen Kunst-Raum erreicht. Aber auf einen viel versprechenden Film verweist der Vorspann allemal. skulptur projekte münster 07 / Westfälisches Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte / Kunstakademie Münster (Hg.): Vorspann. Gespräche mit Guy Ben-Ner, Martin Boyce, Dominique Gonzalez-Foerster, Marko Lehanka, Eva Meyer/Eran Schaerf, Deimantas Narkevicius, Susan Philipsz, Andreas Siekmann, Silke Wagner, Clemens von Wedemeyer, Anette Wehrmann, Brigitte Franzen, Kasper König, Carina Plath. Verlag der Buchhandlung Walther König, Köln 2007 Deutsch/Englisch, m. Abb., 192 S., 18,- Euro.
Mehr Texte von Jens Kastner

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