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Nun führen sie also an der Wiener Akademie der Bildenden Künste den Bachelor ein. Ganz freiwillig und selbstbewusst. Dieser "Studienabschluss für Studienabbrecher", wie ihn Konrad Paul Liessmann in seinem offenbar am allereigensten Leibe verspürten Erfahrungsbericht "Theorie der Unbildung" bezeichnet, soll, so gibt der Rektor Stephan Schmidt-Wulffen in der "Kunstzeitung" zu Protokoll, die Hierarchien und Patriarchalien des Prinzips Meisterklasse ablösen. Das ist forciert gedacht, und während die Wissenschaftsorganisatoren sich längst der "Exzellenz-Cluster" genannten Renaissance der Hierarchie an den Hals werfen, glauben die Akademie und ihr Kunstverständnis das Credo der Neunziger. Das hieß damals "Dienstleistung". Um dem Normativen und Autoritativen, das den alten Kunstbegriff in der Tat begleitete, zu entkommen, will man also das Breitgefächerte, Praktische und Bedarfsorientierte. Nur zwei von hundert Akademie-Absolventen könnten von ihrer Profession als Künstler leben, sagt Schmidt-Wulffen: "Jede andere Fakultät würde bei solchen Zahlen sofort geschlossen." Und anstatt diesen Ausnahmefall mit allen Klauen zu verteidigen und auf den Eigensinn zu pochen, den das Autonomie-Statut bis dato garantierte, bezichtigt man sich in vorauseilendster Verbindlichkeit der Privilegienritterei. Was aber kommt danach? Das globalisierte Aufgehen in der Gleichmacherei von Angebot und Nachfrage. Es ist nichts anderes als beschämend zu sehen, wie der Kunstbetrieb sich der Ökonomie andient. Das Innehaltende und auf Wertschätzung Erpichte, dessen es bedarf, um aus einem schwarzen Quadrat das "Schwarze Quadrat" zu machen, wird mir nichts, dir nichts preisgegeben. Kanon gilt als Steckenpferd fast toter weißer Männer, und erst wenn die Kunstgeschichte zur Bildwissenschaft geworden ist und den ästhetischen Erzeugnissen diskursiv alles ausgetrieben hat, was sie vom Werbematerial unterscheidet, wähnt man sich auf der Höhe. Offenbar hält man diese Selbst-Kapitalisierung für avanciert. Doch es ist nichts anderes als Opportunismus. Irgendwann ist es dann vorbei mit der Bereitschaft, Kunst für etwas Besonderes zu halten, und nicht einmal mehr der Ministerialbeamte, den die "Wochenklausur" einst mit dem Kunst-Bonus köderte, wird sich noch erweichen lassen. Dann wird es allein der Kapitalismus selbst sein, der den Wertfaktor hochhält. Er braucht ihn dafür, dass der Kunstmarkt funktioniert. Und die Akademien bilden die Reiseleiter aus zu den großen Messen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Ihre Meinung

2 Postings in diesem Forum
Danke für den Anstoß!
Maria Schlager | 17.02.2007 11:05 | antworten
Hallo Herr Metzger! Auf Grund des "Dienstleister"-Artikel, der mir schon sehr aus dem Herzen gesprochen war, hab ich jetzt endlich "Konrad Paul Liessmann:"Theorie der Unbildung" gelesen. Dieser Inhalt sollte präsenter an Alle vermittelt werden, wie wärs mit einer Orf-Serie zu diesem Buch? Universum?? über die Spezies Mensch und eigenständiges Denken ?? sowie Arbeits-und Funktionsfähigkeit im 21.Jahrhundert?? Der Zeilinger und sein Wissensgebiet (das war ja so verständlich für uns alle :-) ist als Wissenschafter des Jahres in den Medien viel häufiger behandelt worden, .. oder kommt mir das nur so vor ??
zum Nachdenken
Anja Werkl | 14.03.2007 09:00 | antworten
Sehr geehrter Herr Metzger, in unserer äußerst liberalen Gesellschaft ohne Beschränkung ist es vielleicht gar nicht so schlecht, nach Begrenzungen zu suchen. Ist es sinnvoll, für alle alles offen zu halten - jeden, der glaubt, eine kreative Ader in sich zu verspüren an die Akademie zu lassen? Braucht es nicht ein wenig mehr als Kreativität und Talent, um tatsächlich Künstler zu sein? Gehört dazu nicht auch ein technisches Verständnis der Arbeit und einiges mehr? Wir erleben eine Ökonomisierung des Kunstbereiches weil die über Jahrzehnte propagierte Freiheit der Kunst zu einem führte: zur Inflation des Begriffes und dazu, dass heute weit mehr Menschen dem Künstlerberuf folgen möchten, als wir als Gesellschaft tatsächlich in unserer Mitte aufnehmen können! Tatsächlich die Spreu vom Weizen trennen zu wollen ist doch kein schlechter Ansatz? Bitte ein bisschen nüchterner Abstand zu einem romantischen Begriff des Künstlers in Außer-Acht-Lassung dessen was heute für jeden Beruf gilt: nackter Kampf ums Überleben und nur die Besten kommen durch. Wieso sollte der Kunstbereich eine Ausnahme dazu bilden? Zu Liessmanns Theorie der Unbildung: vielleicht wäre es gut gewesen, diesen Gedanken schon vor Jahrzehnten in aller Deutlichkeit zu formulieren, um damit Einfluss auf eine Entwicklung zu nehmen. Jetzt darüber zu jammern, scheint mir ein bisschen zu spät! Eine Änderung des Bildungssystems begrüsse ich auf jeden Fall - auch in dieser Form. Man beachte bitte die Situation am Arbeitsmarkt, die nach Lösungen drängt - für viele Berufe! Wieso also keine Reiseleiter akademischer Bildung? In diesen wahnwitzigen Zeiten ist das schliesslich die Realität!

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