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Adolf Frohner 1934 - 2007

Die Besucherin war sichtlich genervt ins Atelier gekommen. Die Gemeinde Wien hatte ihr soeben einen Strafzettel fürs falsche Abstellen des PKWs verpasst. "Aber geh, des braucht`s doch net", sagte darauf Adolf Frohner, "soll ich den Michi anrufen?". Mit Michi war der Häupl gemeint, der Bürgermeister, und unabhängig davon, ob der Stadtobere wirklich in die Belange eines Parkwächters eingreifen würde und auch ungeachtet dessen, dass die Exekutive nun wahrlich Wichtigeres zu tun hat als im übrigen berechtigte Strafmandate in Frage zu stellen: Adolf Frohner legte sichtlich Wert auf sein Nahverhältnis zu gewissen Politikern. So gab er vielleicht die Paradestatur dessen ab, was ein österreichischer Künstler ist. Wie bei den meisten war die Grundlage seiner Arbeit der menschliche Körper. Frohner überragte sie insofern, als er der Meister eines Inkarants wurde, das ein Karnat war, das die Fleischlichkeit in aller Nacktheit und Versehrtheit zeigte, in seiner Unzulänglichkeit und Hinfälligkeit. Österreichisch war er auch, weil sein Zugang entsprechend am Expressionismus hing, weil er es lieber klaffen ließ und als Eingeweideschau betrieb, was pure Materie ist: Die Darstellung hatte bei Frohner stets einen Hang zur Schaustellung. Und österreichisch war er durch die Intimität mit Personen, die für die Öffentlichkeit stehen. Er hatte Schwierigkeiten als Künstler, anfangs, in den frühen Sechzigern, als er zu den Wiener Aktionisten gehörte, doch bald, sehr bald legte sich die Verkanntheit. 1972 wurde er mit dem Großen Österreichischen Staatspreis dekoriert, bekam eine Professur an der Angewandten und durfte insgesamt einstehen für ein Gemeinwesen, das sein Kulturverständnis immer schon mit dem Hang zum Expressiven kurzschloss. Anders als die Kollegen allerdings ließ Frohner dabei nicht den Verqueren, Schwierigen, Weltekelbehafteten heraushängen. Sein Künstlertum hatte das Standbein angenehmerweise im Hedonismus. Einen der öffentlichsten Räume überhaupt bekam er für seine Kunst im öffentlichen Raum. Schier jeder Passant ist irgendwann bewusst oder unbewusst Frohners "Ca. 55 Schritte durch Europa" gewahr geworden, wie sie in titelgebender Breite im Untergeschoss des Westbahnhofs prangt. 1993 wurde die Arbeit installiert, und da war Frohner längst prominent geworden. So konnte er es sich auch leisten, um die Professur anzusuchen, die an der Angewandten vakant geworden war, weil er in den Ruhestand ging. Dass Frohner sich um seine eigene Nachfolge bewerben konnte, ist einer Gesetzeslücke zu verdanken. Dass er sie auch antreten konnte, erklärt sich über die Mentalität der hiesigen Verhältnisse. Ganz plötzlich ist Adolf Frohner am vergangenen Mittwoch verstorben. Österreich verliert mit ihm seinen in vielerlei Hinsicht repräsentativsten Künstler.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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