
Peter Kunitzky,
Paul Delvaux. Das Geheimnis der Frau: Traumfrauen
Cherchez la femme! - ein Diktum, das wohl für kaum einen anderen Künstler mit größerer Berechtigung gilt als für Paul Delvaux. Denn dessen Schicksal hörte auf den Namen Tam (eigentlich Anne-Marie Demartelaere), begegnete ihm in seinen schon reiferen Jahren - er war bereits deutlich jenseits der Dreißig - und bestrickte ihn derart, dass er sich fortan beinahe ausschließlich auf ihre Darstellung kaprizierte bzw. ihre Erscheinung später ins Ideal transponierte. Gewissermaßen zupass kam dem zuvor als Landschafts- und Eisenbahnmaler eher dilettierenden Künstler dabei, dass die Verbindung nur von kurzer Dauer war - das Ende fällt dabei just ins Veröffentlichungsjahr von Freuds "Unbehagen in der Kultur" (1930) - und seine Leidenschaft nun unausgesetzt in der Kunst sublimiert werden musste.
Die stilistischen Mittel, um seine erotische Obsession - die vielleicht am ehesten noch mit der von Balthus vergleichbar scheint, wenngleich dessen Modelle eindeutig einen Hauch jünger waren - ins Werk zu setzen, bezog der erklärte Akademiker, der nach eigenem Bekunden eigentlich nie modern malen wollte, nichtsdestoweniger doch in entscheidendem Maße von der damaligen Avantgarde. So borgte er sich zu Anfang von Modigliani die Physiognomie seiner Figuren: insbesondere die Zeichnung der mandelförmigen, schwarz-blinden Augen, den Schnitt der überlangen Nase und das entweder rötliche oder kreidige Valeur des Inkarnats, während er von Magritte neben dem melonenbewehrten Bourgeois vor allem das Montage-Prinzip übernahm - dessen extensiver Einsatz ihn bald zum Surrealisten wider Willen stempelte -, wozu de Chirico schließlich noch die Räumlichkeit suggerierende Architekturkulisse und das damit einhergehende expressionistische Schattentheater beisteuern durfte.
Diese Melange gerät nun nicht eklektizistisch, sondern ist von ganz eigenem Geschmack, ergibt ein solitäres Oeuvre, das nichts weniger als den reinen Duft der Frauen verströmt: mithin aber auch ein Odeur, das entgegen der hier im Überfluss auftretenden Nacktheit keinerlei Verlockung entfaltet, denn die durch jene durchkonstruierte Traumwelt geisternde Frau wird eben nicht nur - getreu der surrealistischen Ideologie - als mythisches Hybridwesen (Daphne, Sirene etc.) inszeniert, das aufgrund seiner Zwitterstellung zwischen der Sphäre der Natur und der Sphäre der Kultur bzw. Zivilisation zu vermitteln hätte, sondern wird vor allem zu einem geradezu göttlichen Wesen erhöht und damit trotz der vermeintlich greifbaren Nähe in eine unendliche Ferne gerückt. Erreicht wird dieses Paradox durch ihre unübersehbare Monumentalisierung, ihre ausgesuchte Statuarik, die damit korrespondierende marmorne Blässe und die einem Segensgestus oftmals auffällig ähnliche prononcierte Gebärde (formgenetisch ein Überrest der akademischen Etüden). Der von der Gunst dieser (Liebes-)Göttin abhängige Mann hat dabei allenfalls - wenn er überhaupt ins Bild gehoben wird - seinen Auftritt als Karikatur oder Staffagefigur. Aber Delvaux wollte ja, wie erwähnt, ohnehin nie modern sein, nicht wahr ...?
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Paul Delvaux. Das Geheimnis der Frau
22.10.2006 - 21.01.2007
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