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Cooles Treibhaus

Ästhetik des Understatements für einen Brennpunkt urbaner Unübersichtlichkeit: Der Wiener Karlsplatz ist einer der wenigen innerstädtischen Orte, an denen die Donaumetropole so etwas wie Vielfalt zuläßt. Hier gibt es eine Universität und die Secession, hier beginnt in Gestalt des Naschmarkts der Orient und treffen drei U-Bahnlinien auf das Café Museum. Sogar die Drogenszene wird toleriert. Der Karlsplatz ist eine jener Lichtungen, die aus der Kahlschlagpolitik der Verkehrsplaner entstehen. Wer seinen Fuß hierhersetzt, wird überhaupt nicht gewahr, einen Platz um sich zu haben. Im Zentrum dieser buchstäblichen Utopie, dieses Nicht-Ortes also, steht jetzt ein cooles Treibhaus. Adolf Krischanitz hat einen Pavillon ersonnen, dessen Wände aus nichts als Glas bestehen, das in wandhohen Buchstaben zwei Worte trägt. \"Kunsthalle Karlsplatz\" steht darauf, denn der transparente Container ist als Ausstellungsraum gedacht, als \"Project Space\" der Kunsthalle Wien, die einst, im vorigen Jahrtausend, hier stand. Dass es dem Präsentationsforum an Hängefläche gebricht, wird nicht weiter problematisch sein. Denn man bekommt zu essen und zu trinken und zu sitzen, und das war schon zu Zeiten der Kunsthalle die eigentliche Attraktion. Als der gelbe Kubus abgerissen wurde, ließ man den Vorbau mit dem Kaffeehaus stehen: Die umsatzstärkste Jahreszeit stand vor der Tür. In der neuen schicken Schachtel hat man der Wahrheit gleich die Ehre gegeben und fast die Hälfte des umbauten Raums der Gastronomie abgetreten; auch gibt es eine mächtige Terasse für das Sommertheater des sich Herzeigens. Krischanitz\ ganz undekorierte Hütte ist ein, wie man so sagt, ehrlicher Bau. Er ist es aus ästhetischen Gründen, weil er die Schlichtheit dessen, wie er gemacht ist, in aller Blasiertheit vorzeigt. Er ist es vor allem aus funktionalen Gründen, denn die momentane Raison d\Etre des Kulturellen, einen Fond abzugeben für die Selbstinszenierung des Publikums, trägt er beispielhaft und buchstäblich nach außen. So gesehen ist der Pavillon der Kunsthalle Wien der kleine Bruder der Oper.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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