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Riss/Lücke/Scharnier A: Silbe und Sinnlichkeit

Die besten Kunstkritiker waren - Heine, Baudelaire, Rilke - Lyriker (dass auch Michael Fried Gedichte schreibt, lassen wir für den Moment beiseite). Das liegt daran, dass die Bilder sich in der Moderne der Umsetzung in ein Mir-nichts-Dir-nichts der Beschreibung versagen, und man also am eigenen verbalen Material hantieren muss, um am visuellen Material etwas zu treffen. Und das Umwenden der Silben und Sinnpartikel ist nun einmal Ritual der poetischen Orthodoxie. Zwischen dem Sehen und dem Sprechen klafft eine Lücke, ein Riss, um nicht zu sagen ein Abgrund, und ob es eine Brücke gibt oder wenigstens ein Scharnier kann nicht dadurch beantwortet werden, dass man das Problem mit Geschwätzigkeit zudeckt. "Riss/Lücke/Scharnier" heisst die Gruppenausstellung, die Heinrich Dunst in der Galerie nächst St. Stephan eingerichtet hat, um sich genau diesem Problem zu nähern. Und ihr allergrößter Vorzug besteht schon einmal darin, dass sie sich aller Geschwätzigkeit enthält. Sie ist wenn nicht präzis, so konzis, sie ist streng bis ans Hermetische und sie ist von einer eigenen Orthodoxie, die wiederum ans Poetische rührt. Conceptual Art von der bewährten Observanz gibt es zu sehen, Remy Zaugg etwa, den frühen Baldessari, Ernst Caramelle, und eben solche von der Observanz der Neuhinzugekommen, von Rainer Ganahl, Clegg & Guttmann oder Joelle Teurlinckx. Marcel Broodthaers darf nicht fehlen, Jan Mancuska ist so etwas wie die Entdeckung der Schau, und allen sitzt der Geist der Wiener Gruppe im Nacken, der die Austerität mit dem Ausufernden kontert. Heinrich Dunst selbst hat schließlich zwei Tableaus aufgebaut, eines davon in posthumer Zusammenarbeit mit Konrad Bayer. "Wie sieht jene Anordnungsform aus, die die Abstände und Disjunktionen zwischen dem Gesehenen und dem Gesagten zeigen möchte?", fragt Dunst in einer Art Begleittext zu seiner Zusammenstellung. Damit ist formuliert, was seine Ausstellung ihrerseits kann: zeigen. Sie kann das Problem nicht lösen, aber sie zeigt Anordnungen. Sie zeigt es mit Souveränität, sie zeigt es mit etwas so Unaktuellem wie Würde. Die Frage, die sie stellt, ist diejenige Laokoons. Womöglich ist er jetzt in der Postmoderne angekommen.
Mehr Texte von Rainer Metzger

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Riss/Lücke/Scharnier A
24.11.2006 - 13.01.2007

Galerie nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder
1010 Wien, Grünangerg. 1/2
Tel: +43 1 5121266, Fax: +43 1 5134307
Email: galerie@schwarzwaelder.at
http://www.schwarzwaelder.at
Öffnungszeiten: Di-Fr: 12-18h
Sa: 11-16h


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