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Nobuyoshi Araki - Diaries-Love by Leica: Nicht mit letzter Konsequenz

Niemals verließe er, sagt Noboyushi Araki, das Haus ohne Seil und ohne Kamera. Mit den zwei Wunderwaffen macht der heute 66-Jährige seit den 1970er Jahren Furore. Erstere verwendet er, um seine stets weiblichen, wenn überhaupt nur spärlich mit Kimono und Strümpfen bekleideten Modelle zu fesseln, letztere, um den solchermaßen geschaffenen An- und Augenblick im Bild festzuhalten. Erotisch sind seine Fotografien allemal. Als solche sind sie intendiert, und als solchen trafen sie die prüde japanische Gesellschaft, für die die bildliche Darstellung des Schamhaars einen radikalen Tabubruch darstellt, mitten ins Herz - nicht zuletzt ist auch das ein Teil ihres Konzepts und ihres Geheimnisses. So gesehen hat es eine fast schon zwingende Logik, dass sich zumal in Japan diese Werke wesentlich einfacher über den Erotik-Markt als über den Kunstmarkt vertreiben ließen, was Araki wiederum zu einer Bekanntheit und Verbreitung verhalf, die ihm, hätte er sich streng an die Wertigkeiten und Maßstäbe des Kunstbetriebs gehalten, wohl verwehrt geblieben wäre. Diesen Flirt mit der Masse genießt Araki sichtlich auch heute noch, drei Jahrzehnte später. Das demonstriert er mit dieser seiner umfassenden Personale in der Wiener Leica-Galerie Westlicht. "Diaries - Love by Leica", nennt Araki sie und dreht damit gleich einmal verschmitzt das Verhältnis zwischen Künstler und Label um. Denn was hier so tagebuchartig demonstiert wird, ist nichts anderes als eine alte Liebe - zur Fotografie und damit zur Leica. Dazu gehört auch, dass Auflagenhöhen keine Rolle spielen - alle Editionen sind unlimitiert. Herzstück der Ausstellung ist Arakis neue, etliche Dutzend Baryt-Prints umfassende Serie "Love by Leica". Es ist vor allem die Menge, mit denen diese abermals ganz auf erotische Fotografie fokussierte Werkgruppe imponiert. Im Unterschied zu früheren Arbeiten zieht Araki das Bondage-Thema hier allerdings nicht mit letzter Konsequenz durch. Vielmehr sind manche der Aufnahmen wie Porträts angelegt. Diese Mixture steht einerseits in spürbarem Widerspruch zur Schnelligkeit und Spontaneität der Aufnahmen, nimmt andererseits der Werkgruppe viel von ihrem Potenzial. Wieviel - das machen die im Entree der Ausstellung präsentierten Ausblicke auf frühere Serien deutlich: etwa die teils färbige "Kinbaku (Bondage)"-Serie aus den Jahren 1979-1989 und noch eindrücklicher, eine Gruppe kleinformatiger, der selben Thematik gewidmeter Polaroid-Unikate aus den 1970 Jahren.
Mehr Texte von Johanna Hofleitner

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Nobuyoshi Araki - Diaries-Love by Leica
07.11.2006 - 14.01.2007

Westlicht
1070 Wien, Westbahnstrasse 40
Tel: +43 1 522 66 36 - 0, Fax: +43 1 523 13 08
Email: info@westlicht.com
http://www.westlicht.com
Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 14-19, Do 14-21, Sa, So, Fei 11-19 h


Ihre Meinung

1 Posting in diesem Forum
Nobuyoshi Araki - Diaries-Love by Leica
Dr. Volker Cleeves | 08.01.2007 10:26 | antworten
Die Kunst Nobuyoshi Arakis, zeigt die tiefe Verknüpfung von Kunst und den tiefen Wurzeln unserer Existenz. Also dem Konflikt zwischen menschlichem Intellekt und unseren eigentümlichen (sog. animalischen) Trieben. Wir und unsere Körper in Bezug auf unser Verhalten dazu. Eine eigentlich völlig natürliche Sache wird durch Moralverstellungen verzerrt und erlangt dadurch einen neuen Kontext. Nur so sind die "Perversionen" zu verstehen, die im Verlauf einer zunehmenden Dekadenz immer mehr in den Vordergrund drängen. Sie sind die Folge der Tabuisierung, der Negierung des eigentlichen tatsächlichen Seins. Dieses Uralte Thema Sex und dessen Darstellung, ist so alt wie die Menschheit selbst und kann doch immer wieder so neu und anders gezeigt (gelebt) werden. Die Probleme, die dadurch erzeugt werden, betreffen die „Moralapostel“ wie die Künstler in gleicher Weise. Letztendlich spiegeln sie unser Verhältnis zu unserer eigenen Körperlichkeit und damit auch unser Miteinander wider. Bereits Egon Schiele und viele Andere sind damit gesellschaftlich, zu ihrer Zeit gescheitert, heutzutage ist scheinbar alles erlaubt, gewünscht. Nur nicht, das normale, eigentliche substanzielle Leben und die eigentliche einfache körperliche Liebe, mit dem Ziel des zufriedenen (Zusammen)Seins. Dass das so ist und das darüber nachgedacht wird, verdanken wir den Künstlern, die sich damit auseinandersetzen. Nur wir, die Betrachter, müssen dies auch verstehen, um daraus einen für Alle zu ziehenden Nutzen zu gewinnen.

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